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In den Klauen des Tigers

In den Klauen des Tigers

Titel: In den Klauen des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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sein. Und die Wagen stehen... Himmel!... die sind mindestens 300 Meter
entfernt.
    Mit zwei Fahrzeugen waren sie hergekommen.
Er als Hüttenbesitzer hatte Erlaubnis, die Forststraße und den Seitenweg bis
hierher zu befahren.
    Absichtlich hatten sie die Fahrzeuge so
entfernt abgestellt. In freier Natur wollten sie die Benzinkutschen nicht
sehen. Jetzt erwies sich das als Falle.
    Während Wolfi auf der Sumpfeiche
hockte, breitete sich im Wochenendhäuschen lähmendes Entsetzen aus.
    Das Gebrüll des Tigers hatte alle
Zweifel beseitigt. Die Frauen waren zu Tode erschrocken. Die Männer bemühten
sich, ihre Angst nicht zu zeigen. Hinzu kam Verwirrung. Ein Tiger? Hier? War
das denn möglich?
    Als Pechowski — von Wolfis Warnung
alarmiert — das große Rückfenster sichern wollte, sah er den Tiger.
    Zielstrebig glitt er durch die Büsche
heran, sprang über die Brombeerranken und hielt auf Pechowski zu.
    Das darf nicht wahr sein! Ein Alptraum!
    Der Lehrer riß die schweren Holzläden
zu, legte den Riegel vor, schloß das Fenster, horchte.
    Kratzte draußen eine mächtige Tatze?
    Eisige Schauer rannen ihm über die
Haut.
    Er lief in den Wohnraum, wo die andern
wie eine Herde verstörter Schafe beieinander standen.
    „Pst. Ich habe ihn gesehen.“ Er ärgerte
sich, daß seine Stimme wackelte. „Ein... ein riesiger Kerl. Ein Königstiger,
glaube ich. Leute“, er lachte, was so blechern klang wie das Klappern einer
leeren Konservendose, „wir wollten ihn mit Grillwurst füttern. Haben gedacht...“
    Er verstummte. Deutlich hörten alle das
Schnüffeln: ein scharfes Zischen an der Türritze.
    Der große Raum verfügte über vier
Fenster. Alle waren verrammelt. Das zweite Fenster des Schlafraums war gar
nicht erst geöffnet worden — damit also rundum alles dicht.
    Halbdunkel herrschte. Nur Spuren von
Sonnenlicht sickerten durch die Ritzen der Fensterläden.
    Jetzt ertönte ein Fauchen. Eine Pranke
schlug gegen das Holz. Die Tür erzitterte.
    „Nein!“ Silke kreischte.
    Sie und ihre Kolleginnen wichen in die
entfernteste Ecke zurück. Jutta, die unter anderem Religion unterrichtete,
begann mit lauter Stimme zu beten.
    „Halt den Mund!“ fuhr Pechowski sie an.
„Fehlte noch, daß wir hysterisch werden. Das Vieh kann uns gar nichts. Wir sind
sicher wie in Abrahams Schoß.
    Jutta verstummte. Auch das Fauchen
hatte aufgehört.
    Auf dem Vorplatz ertönte metallisches
Scheppern.
    „Jetzt hat er den Grill umgeworfen“,
murmelte Pechowski. „Um Himmels willen, die Glut! Hoffentlich entsteht kein
Waldbrand.“
    „Kann nicht“, meinte ein Kollege. „Das
Gras war vom Tau noch klatschnaß. Aber er frißt unser Grillgut, der Mistkerl!“
Und mit dem kläglichen Versuch, einen Witz zu reißen, fügte er hinzu: „Man wird
uns drankriegen wegen Tierquälerei. Das Fleisch ist stark gewürzt. Das verträgt
so ein Vieh nicht.“
    Niemand lachte.
    Pechowski trat zu einem der Fenster.
Der Spalt zwischen den Läden war in Augenhöhe fingerbreit. Ein Splitter hatte
sich abgelöst.
    Er konnte hinaussehen.
    „Ihr werdet es nicht glauben“, sagte
er. „Der Kater leckt eine Bierpfütze auf. Die Gläser sind umgestürzt, und er
schleckt unser Pils. Leute, sobald er betrunken im Gras liegt, gehen wir raus
und fesseln ihm die Pfoten.“
    „Laß mich mal sehen“, sagte einer der Kollegen.
    Aber als er durch den Spalt lugte, war
der Tiger verschwunden.
    Dann lauschten alle und trauten ihren
Ohren nicht.
    Motorengeräusch näherte sich. Das
Fahrzeug preschte heran.
    Kurz darauf kurvte der mit zwei
Scharfschützen besetzte Polizeiwagen auf die Lichtung und hielt vor der Hütte.
    Mit schußbereiten Maschinenpistolen
stiegen die Beamten aus.
    Wohl noch nie wurden Ordnungshüter so
herzlich willkommen geheißen.
    Sie waren auf der Forststraße gewesen,
hatten das Brüllen des Tigers gehört und dann den richtigen Weg eingeschlagen.
    Wolfi konnte aus seiner luftigen Höhe
herabsteigen. Er war immer noch schreckensbleich.
    Von den Polizisten erfuhren die Lehrer,
was sich ereignet hatte. Noch nachträglich schockte die Angst. Rasch wurde
zusammen gepackt. Die pfingstliche Waldparty war beendet, bevor sie richtig
begonnen hatte. Die Hütte wurde verrammelt. Die Beamten sicherten nach allen
Seiten, aber Napur schien verschwunden. Hatte das Motorengeräusch ihn
vertrieben?
    Unter dem Schutz der Beamten bestiegen
die Lehrer ihre beiden Fahrzeuge. Der Streifenwagen begleitete sie bis zum
Waldrand. Erst dort atmeten sie auf. Jetzt konnte nichts mehr

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