In den Klauen des Tigers
die
Aktion mit dem Betäubungsfleisch machen. Meine Söhne Robert und Nino wissen
Bescheid und warten wahrscheinlich schon am Waldrand.“
Die Jungs durften im Wagen mitfahren.
Die Räder blieben beim Gehöft zurück.
Zeisig wollte nicht irgendeine der
Straßen oder irgendeinen der Wege benutzen, die in den Wald führten, sondern
die Forststraße — um möglichst rasch zu den Singenden Felsen zu kommen. Daß
Napur sich noch in diesem Teil des Waldes aufhielt, war zu vermuten.
Unterwegs begegneten ihnen zahlreiche
Ausflügler, die in die Stadt zurückfuhren — mit Auto oder Rad. Ihr Ziel war der
Große Wald gewesen, aber die Polizei hatte alle zurückgeschickt.
In Richtung Wald fuhren jetzt nur noch
wenige. Denn über Rundfunk ließ die Polizei halbstündlich mitteilen, daß die
Gegend abgesperrt und nicht mehr zugänglich sei, weil sich dort ein
entsprungener Tiger aufhalte. Wer sich trotzdem auf den Weg machte, hatte
entweder die Nachrichten versäumt oder Neugier gepachtet.
Der Chevrolet erreichte den Waldrand,
wo die Forststraße begann. Auf dem Parkplatz stand ein Dutzend Fahrzeuge. Die
Insassen hatten die Scheiben herabgekurbelt. Ferngläser waren in die braunen
Schatten unter den Bäumen gerichtet. Kameras mit langen Objektiven wurden
probeweise in dieselbe Richtung gehalten.
„Einige sind von der Presse“, meinte
Karl. „Die andern sind sensationslüstern. Foto-Safari auf einen Tiger — und das
gleich vor der Stadt. Das kommt ja wirklich höchst selten vor.“
Der Wachtmeister, mit dem Kommissar Glockner
vorhin geredet hatte, stoppte den Chevrolet.
„Sie sind Herr Zeisig, ja?“ sagte er,
wobei er sich zum Fahrerfenster beugte. „Ich weiß bereits, was Sie vorhaben.
Von Ihren Söhnen.“ Er wies auf zwei junge Männer, die vom Parkplatz herankamen.
„Aber ich kann Sie nicht durchlassen. Ich habe eindeutige Weisungen.“
„Es geschieht auf unsere Verantwortung“,
erwiderte Zeisig. „Außerdem wird uns nichts passieren. Napur kennt uns. Wir
sind ihm fast so vertraut wie Tomasino. Uns wird er nicht anfallen. Wir wollen
ihn retten. Er soll leben.“
„Ich habe meine Anweisungen“, sagte der
Wachtmeister knapp. „Bitte, fahren Sie auf den Parkplatz oder kehren Sie um.
Die Forststraße ist gesperrt.“
Die Zeisigs — auch Robert und Nino
beteiligten sich — versuchten, den Wachtmeister umzustimmen. Aber der wich und
wankte nicht, blieb zwar höflich, schaltete aber auf stur.
Dann wurde aller Aufmerksamkeit auf die
Forststraße gelenkt.
Die beiden Fahrzeuge der Lehrer und der
begleitende Streifenwagen näherten sich.
In Windeseile sprach sich herum, wie
angriffslustig Napur sich bei Wolfi Keups Wochenendhaus aufgeführt hatte.
„Sehen Sie jetzt“, sagte der
Wachtmeister zu den Zeisigs, „was für eine Bestie das ist! Nein, in den Wald
kommt mir niemand. Wäre unverantwortlich. Ist schon schlimm genug, daß wir bis
jetzt nicht wissen, wer sich drin aufhält. Und daß unsere Möglichkeiten,
Wanderer, Camper, Zelter und Naturfreunde zu warnen, gering sind. Die richtig
Zünftigen — die haben doch kein Radio mit. Und die Lautsprecher-Durchsagen der
Streifenwagen — ach, du meine Güte!“
Klößchen fragte, ob Kommissar Glockner
hier durchgekommen wäre.
Der Wachtmeister bejahte.
„War ein Junge bei ihm im Wagen? So ein
Braungebrannter mit dunklen Locken.“
„Ja, der war dabei.“
Mehr erfuhren sie nicht. Der
Wachtmeister und seine Kollegen mußten andere Leute zurückhalten,
beziehungsweise ihnen erklären, weshalb die Welt hier vorläufig ende.
„Jetzt ist Dr. Jansen unsere einzige
Hoffnung.“ Leni schluchzte. „Wenn er nicht bald kommt, werden sie Napur
erschießen. Mir hat er immer die Hand geleckt, wenn ich ihm Fleisch durchs
Gitter gab.“
Unwillkürlich blickte Klößchen auf ihre
Hände.
Na, Gott sei Dank! — alle zehn Finger
waren noch dran.
8. Die Geiselnahme
Schweiß strömte Glockner vom Gesicht.
Er hatte den Kragen geöffnete und keuchte. Auch Tarzan war erhitzt. Über 40
Minuten Dauerlauf lagen hinter ihnen. Die Sonne stand hoch. Es schien ein
Tropentag zu werden. Wo waren die Mädchen?
Nur einmal hatten sie das entfernte
Gebrüll des Tigers gehört, dann nichts mehr. Näherte er sich? Lief er in andere
Richtung?
Sie waren niemandem begegnet. An jeder
Abzweigung, jeder Wegkreuzung, jeder Gabelung mußten sie sich erneut
entscheiden, welcher Strecke sie folgten. Es war jedesmal die Hölle. Eine
falsche Entscheidung — und die Aussicht, die Gruppe
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