In den Klauen des Tigers
passieren.
*
Von alldem ahnten Karl und Klößchen
nichts, als sie beim Polizeipräsidium eintrafen. Sie erkundigten sich nach Glockner
und Tarzan. Ein Kollege des Kommissars informierte sie. Er hatte auch
beobachtet, daß Tarzan mit Glockner weggefahren war.
„Soviel ich weiß, will Kollege Glockner
die Mädchengruppe suchen“, sagte er.
Die Jungs bedankten sich, stellten
Tarzans Rennrad — mit dem sie sich nicht länger belasten wollten — auf den Hof
des Präsidiums und überlegten dann, was zu tun sei.
„Fahren wir doch erstmal ins
Heinrichstal“, schlug Karl vor.
„Es liegt am Weg. Wir können Zeisig
sagen, was inzwischen passiert ist. Er wird am besten wissen, wie man Napur
behandelt. Wäre ja ein Jammer, wenn der Tiger erschossen wird.“
Klößchen fand die Idee gut und hoffte
heimlich, auch Leni anzutreffen. Sie hatte es ihm angetan. Zu dumm nur, daß er
immer für Mädchen schwärmte, die soviel älter waren als er!
„Was meinst du“, fragte er, „nimmt Glockner
Tarzan in den Wald mit?“
„Könnte schon sein.“
„Das ist aber für beide gefährlich.“
„Noch gefährlicher für die Mädchen. Die
ahnen ja nicht, daß da ein Tiger rumschleicht.“
„Ich könnte Tomasino erwürgen!“
Klößchen griff wütend in die Luft, dann aber gleich wieder zum Lenker, denn das
Vorderrad stieß gegen einen Stein und stellte sich quer.
„Der ist nicht normal“, sagte Karl. „Wahrscheinlich
verschwindet er für den Rest seines Lebens in einer Heilanstalt.“
„Als Strafe ist das so schlimm wie
Gefängnis.“
„Schlimmer.“
Es war später Vormittag, als sie das
verlassene Gehöft im Heinrichstal erreichten.
Zeisigs Straßenkreuzer und Lenis
Blechwanze parkten vor dem Wohnhaus. Der Zirkusdirektor und seine hübsche
Tochter waren damit beschäftigt, eine Plastikwanne voller großer Fleischstücke
in den Kofferraum des Chevrolets zu verladen.
„Wir haben Tomasino gefunden“, rief
Klößchen. „Sie können sich nicht vorstellen, was der...“
„Wir wissen schon alles“ fiel Leni ihm
ins Wort.
Sie war blaß. Ihrem Vater stand
Verzweiflung ins Gesicht geschrieben.
„Carlos Wahnsinnstag“, sagte er, „hat
sich herumgesprochen. Die Männer vom Zoo, die vorhin unsere Tiere abgeholt
haben, berichteten uns. Das Polizeipräsidium hat sich nämlich an Dr. Jansen
gewandt, den Tierarzt des Zoos. Weil man wissen wollte, wie ein Königstiger
sich in Freiheit verhält.“
Klößchen nickte, grinste Leni an, wobei
er rot wurde, und deutete dann auf die Fleischbrocken.
„Und das?“
„Wir wollen in den Großen Wald“,
erklärte Leni, „und das Fleisch auslegen. Ich habe es gleich besorgt, als wir
hörten, was mit Napur ist. Hier!“
Sie nahm eine Plastikflasche aus dem
Kofferraum. „Das ist ein Schlafmittel, das auch Tiere vertragen. Damit
präparieren ( vorbereiten ) wir das Fleisch. Wenn Napur davon frißt,
schläft er ein. Er könnte dann in seinen Käfig gesteckt werden — und wäre
gerettet. Er bliebe am Leben.“
Ihre Stimme zitterte.
„Wäre prima“, nickte Klößchen. „Und
eine echte Möglichkeit. Jetzt meint natürlich jeder, der Schutz der
Allgemeinheit gehe vor. Stimmt ja auch. Der Tiger darf niemand anfallen.“
„Sie jagen ihn bereits“, sagte Zeisig
traurig. „Sogar ein Hubschrauber ist eingesetzt. Aber der eignet sich nicht zur
Tigerjagd. Aus der Luft werden sie ihn nicht entdecken. Tiger meiden freies
Gelände. Sie pirschen dort, wo der Wald am dichtesten ist. Sie lieben sumpfige,
morastige Stellen. Und sie reißen nur soviel Beutetiere, wie sie auch fressen.
Sie lassen nichts übrig, sondern kehren immer wieder zum Riß zurück, selbst
wenn das Fleisch schon fault und stinkt. Ratzekahl fressen sie alles auf, ehe
sie das nächste Tier töten. Das Märchen von der Mordlust ist erlogen.“
„Aber sie fallen auch Menschen an, wenn
sie gereizt sind“, wandte Karl ein.
Das mußte Zeisig zugeben.
„Dr. Jansen will uns helfen“, sagte
Leni. „Er ist auch Tierfänger und besitzt ein Narkose-Gewehr.“
„Das tötet nicht“, erklärte Zeisig, „sondern
verschießt Betäubungspfeile. Hoffen wir, daß Dr. Jansen bald kommt.“
„Warum kommt er denn nicht gleich?“
fragte Karl.
„Er wird im Zoo gebraucht. Ein
Gorillaweibchen ist erkrankt und muß sofort operiert werden. Aber anschließend
kommt er zum Wald.“ Zeisig strich sich über die Augen. „Hoffentlich lebt Napur
dann noch. Damit die Polizisten nicht gleich das Feuer eröffnen, wollen wir
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