Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In den Ruinen von Paris

In den Ruinen von Paris

Titel: In den Ruinen von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
Unterschied?« Er hob besänftigend die Hand, als Charity schon wieder auffahren wollte. »Ich habe die Welt, in der du geboren wurdest, niemals kennengelernt, aber eines weiß ich: Ihr wart auch früher nicht frei, auch wenn ihr es vielleicht geglaubt habt. Ihr habt euch selbst Grenzen gesetzt, und wo ihr sie überwunden habt, da seid ihr auf andere gestoßen, die die Natur für euch errichtet hatte. Ihr wart nur so lange frei, wie es das, was ihr eine höhere Gerechtigkeit genannt habt, es zuließ.« »Aber das ist ein Unterschied«, sagte Charity. Gurk lächelte flüchtig. »Er ist nicht so groß, wie du vielleicht glaubst.« Charity begann unruhig im Zimmer auf und ab zu gehen, aber statt Gurk anzufahren, wie sie eigentlich gewollt hatte, blieb sie plötzlich wieder stehen und sah ihn sehr nachdenklich an. »Glaubst du an einen Gott?« fragte sie. Die Frage schien Gurk zu überraschen - und aus irgendeinem Grund auch in Verlegenheit zu bringen. Einige Sekunden lang blickte er verwirrt zu Charity auf. »Ja«, sagte er dann. »Vielleicht auf eine etwas andere Art und Weise als du, aber ja ... die Antwort ist ja.« »Ich auch«, antwortete sie. »Und deshalb kann ich das, was du gesagt hast, nicht akzeptieren. Wer immer sie sind - eines sind sie bestimmt nicht: eine gottgesandte Plage.« Sie machte eine zornige Geste zum Fenster. »Ich kann so nicht leben! Und diese Menschen hier«, fügte sie leiser hinzu, »auch nicht.« »Worte!« sagte Gurk. »Schöne Worte, Captain Charity Laird. Ihr seid Meister der Worte, Charity. Ich habe eure Literatur studiert und eure Geschichte. Dein Volk und meines, sie sind sich ähnlicher, als du ahnst. Aber in einem unterscheiden wir uns: Wir haben schon vor langer Zeit begriffen, daß man die Dinge so nehmen muß, wie sie kommen.« »Ja«, sagte Charity zornig. »Deshalb seid ihr auch untergegangen.« »Weil wir nichts daraus gelernt haben«, antwortete Gurk ruhig. »Wir haben versucht, uns gegen das Unvermeidliche zu wehren. Mit dem Ergebnis, daß wir ausgelöscht wurden. Ich will nicht, daß es deinem Volk genauso ergeht.« »Bist du deshalb bei uns?« fragte Charity. »Ist das der Grund? Du hast mich nicht begleitet, weil du glaubst, ich könnte Erfolg haben. Du bist bei mir, weil du es fürchtest.«  »Unsinn!« widersprach Gurk. »Ich habe dir schon einmal gesagt, du überschätzt dich. Die Moroni und ihre Helfer sind vielleicht Banditen, aber jeder wirklich gute Pirat ist auch ein Kaufmann. Es wäre nicht sehr ökonomisch, einen Planeten zu erobern und fünfzig Jahre lang zu kolonisieren, um ihn dann zu vernichten, nur weil eine einzige Person einem Ärger bereitet.« »Na wunderbar!« versetzte Charity erbost. »Dann geben wir auf! Dann werde ich jetzt zu dieser Basis gehen und mich Kyles Brüdern stellen. Vielleicht gilt Stones Angebot ja noch, und er macht mich zu seiner Adjutantin.« Gurk sah sie traurig an. Er wirkte enttäuscht, aber nicht zornig. »In gewissem Sinne ist sein Weg richtig«, sagte er nach einer Weile. »Er hat erkannt, daß es keine Gegenwehr gegen sie gibt. Also versucht er, aus der Situation das Beste zu machen. Für sich - und für sein Volk. Ich stimme mit dir überein, daß Stone zu viel für sich und zu wenig für seine Leute tut. Aber das Prinzip ist nicht falsch.« Fast zu ihrer eigenen Verblüffung widersprach Charity nicht sofort. Sie mochten beide recht haben. Vielleicht gab es wirklich mehr als eine Wahrheit. Ohne ein weiteres Wort verließ sie das Zimmer.

Kapitel 12
    Als Kyle zwölf Jahre alt war, ging er das erste Mal auf die Jagd und tötete den ersten Menschen. Und ein halbes Jahr später traf er das Mädchen. Er hatte jetzt den Körper eines erwachsenen Mannes und die Instinkte eines Killers. Seit dem Tag, an dem er die Basis das erste Mal verlassen hatte, um in den Dschungel hinauszugehen, der sie umgab, war die Jagd zu einem festen Bestandteil seines Lebens geworden. Und bald begann er, sie zu lieben, denn sie stellte die einzige Abwechslung im täglichen Einerlei aus Training, Unterricht und jenen endlosen Stunden dar, in denen sein Körper fortwährend verändert wurde. Er hatte gelernt, den Schmerz auszuschalten, den sie ihm zufügten. Er hatte gelernt, alle Demütigungen zu ertragen. Er hatte gelernt, nicht nach dem Grund zu fragen, aus dem man ihm all dies antat. Was er nie gelernt hatte, war, mit jenem anderen, körperlosen Schmerz fertig zu werden. Mit der unheimlichen Veränderung, die sie mit seinem

Weitere Kostenlose Bücher