In Den Schatten Lauert Der Tod -1-
ansahen.
»Selbstverständlich.« Mueller deutete zu einem Tisch am anderen Ende des Zimmers.
Je schneller ich es hinter mich bringe, desto schneller kann ich dieses grässliche Haus verlassen . Sie betete diesen Gedanken in ihrem Kopf herunter wie ein Mantra.
Drei Objekte warteten auf dem glänzenden dunklen Holztisch. Die Ordner mit den Herkunftszertifikaten lagen direkt daneben. Sie holte ihr Tonbandgerät heraus und versuchte verzweifelt, sich zu konzentrieren. Sie musste erwachsen sein. Professionell.
Der erste Gegenstand war ein Bronzedolch samt Scheide. Dem Herkunftsnachweis zufolge stammte er aus der La-Tène-Epoche um 200 vor Christus und war in den 1890ern in Wales aus einem Fluss gefischt worden, allerdings kam ihr die Waffe viel älter vor. Handschutz, Griff und Knauf hatten ursprünglich aus einem organischen Material bestanden, das inzwischen verrottet war, trotzdem war der Dolch mit seinem schmal taillierten Heft und der blattförmigen Klinge noch immer wunderschön. Er verfügte über die verstärkenden Kanten, die Zierrillen und Fingerkerben, die sie von vielen keltischen Bronzewaffen aus der Zeit um 1000 vor Christus kannte.
Das nächste Stück war die fünfundvierzig Zentimeter hohe Steinstatuette eines grauenhaften Ungeheuers mit ausgestreckten Armen. Riesige, dicke Krallen bohrten sich in die Stirnen zweier abgetrennter Köpfe. Ein Arm baumelte aus seinem fangzahnbewehrten aufgerissenen Maul. La Taresque . Die Statue wies große Ähnlichkeit mit jener Kalksteinfigur auf, die sie in Avignon studiert hatte, als sie während ihres dritten Studienjahrs nach Frankreich und Schottland gereist war.
Sie schrak vor dem Ding zurück. Es war ein seltenes und erlesenes Stück, aber sie fühlte sich zu elend, um sich mit blutrünstigen, menschenfressenden Monstern zu beschäftigen – ob das jetzt unprofessionell war oder nicht. Sie würde später darauf zurückkommen.
Das dritte Objekt war ein Bronzeflakon, verziert mit den für die späte La-Tène-Zeit charakteristischen floralen Wirbeln und Spiralen. Es waren Reliefs verschiedener mythischer Figuren zu erkennen, aber was Erin als Erstes ins Auge stach, waren die beiden Drachen.
Mit feuerroten Granataugen starrten sie einander an. Sie waren symmetrisch angeordnet und verharrten in einer perfekt ausbalancierten Pose, um einen ewigen Kampf auf Leben und Tod zu symbolisieren. Genau wie bei dem Halsreif. Schlangenartige Schwänze ringelten sich unter ihnen und verschmolzen mit dem komplizierten blumigen Rankenmuster, das das ganze Stück kennzeichnete.
Die Erkenntnis verfestigte sich mit der Langsamkeit von Kopfschmerzen, bis ihr Bewusstsein es schließlich nicht länger verleugnen konnte. Die Teile eines Puzzles, von dem sie nicht gewusst hatte, dass sie es zu lösen versuchte, fielen an ihren Platz. Dem Herkunftszertifikat nach war der Flakon 1867 von einem aristokratischen Forscher und Grabräuber in der Nähe von Salzburg entdeckt und in den 1950ern an einen reichen österreichischen Industriellen verkauft worden.
Nur dass dieser Flakon nicht aus Salzburg stammte. Er kam aus einem Grab in Wrothburn. Genau wie der Drachenhalsreif. Und die Halsreifen in Silver Fork.
Sie fühlte es mit jeder Faser ihres Körpers. Ihre Instinkte irrten sich nie. Ihre Nackenhaare stellten sich auf. Die Täuschung wurde greifbarer, klarer.
Erin zwang die Worte aus ihrem Mund. »Mr Mueller, es tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen, aber ich fürchte, dass der Herkunftsnachweis dieses Flakons gefälscht ist.«
Die leise Unterhaltung auf der anderen Seite des Zimmers erstarb. »Ich bitte um Verzeihung?« Muellers Stimme klang freundlich und leicht irritiert.
»Das charakteristische Design lässt mit fast hundertprozentiger Sicherheit darauf schließen, dass er aus den Hügelgräbern in Wrothburn stammt, die vor gerade mal drei Jahren entdeckt wurden. Ich habe den Verdacht, dass der Drachenhalsreif, genau wie zumindest zwei der Halsreife, die ich in Silver Fork untersucht habe, ebenfalls aus Wrothburn ist. Diese Stücke wurden geraubt. Sie gehören dem schottischen Volk.«
Erin fand nicht den Mut, ihn anzusehen. Sie war vor Furcht wie gelähmt. Dann hörte sie ein trockenes, heiseres Kichern, das wie eine Schlange klang, die über tote Blätter glitt. Da wusste sie es sicher. Sie drehte sich langsam zu ihm um.
Muellers Augen waren nicht mehr elektrisierend blau. Sie waren von einem fahlen, weißlichen Grün, eine kalte, tote Farbe. Er hob die Hand und wackelte mit
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