In den Spiegeln (Teil 1, 2 & 3) - Die dunkle Stadt (German Edition)
sich ein kleiner Park mit Sitzbänken und deutlich markierten Abfallkörben. Ich sah zu Sargon. Die Soldaten, die nun in unscheinbare Zivilkleidung geschlüpft waren, beachteten mich nicht. Sie standen neben dem Straßengraben, rauchten und unterhielten sich.
Langsam und etwas angestrengt legte ich die zwanzig Meter zu dem Park zurück, kam an einer Informationstafel vorbei, die mich darüber informierte, dass das nahegelegene Flüsschen Elbbach hieß, die Stadt reizvolle Bauwerke aus dem Mittelalter, der Renaissance und dem Barock besaß und als das Tor zum Westerwald bezeichnet wurde. Ich setzte mich auf die erstbeste Bank und ließ kurz meinen Oberkörper fast zwischen den Knien hängen.
›Einen Drink‹, dachte ich. ›Einen verdammten Drink und alles wäre besser.‹
Als sich das Kind neben mich setzte, blickte ich überrascht auf.
»Mach die Fliege, Mädchen«, röchelte ich. »Ich habe hier eine Verabredung.«
Sie blickte mich streng an.
»Sei nicht lächerlich, Kámen.«
Ich stockte und begann ein paar Dinge zu kombinieren.
»Lichtmann? Paul Lichtmann?«
»Jetzt heiße ich Kerstin Koch.«
»Wie ist das möglich?«
»Die Aschewerdung schließt ein derart exotisches Beneficium nicht aus. Normalerweise halten sich Seelen an einem Geschlecht fest, aber es gibt genug Ausnahmen. Noch nie einem Menschen begegnet, der ganz eindeutig eine Frau, gefangen in einem männlichen Körper, ist? Oder umgekehrt?«
»Wusste nicht, dass es bei dir der Fall ist.«
»Unsinn! Apythia ist manchmal ein richtiges Miststück. Weitere Erklärungen gibt es dazu nicht.«
Ich starrte das Kind entgeistert an und musste unweigerlich an die japanischen Kogals denken. Es mochte neun, höchstens elf Jahre alt sein. Es war hübsch und hatte Sommersprossen auf der kleinen Stupsnase. Es trug ein langes, weißrotes Kleidchen und einen adretten, kleinen Strohhut. Ich musterte die kecken roten Tommy-Hilfiger-Lackschühchen an den kleinen Füßen und dachte darüber nach, dass es heutzutage ein höchst unsittliches Bild abgab, wenn ich — ein alter Landstreicher — hier mit einem kleinen Mädchen auf einer Bank saß und redete. Vorbeifahrende Polizisten wären sicherlich nicht darum verlegen, mir einige Fragen zu stellen. Würden dann die Haudegen aus dem unweit entfernten Lastwagen kommen und mich beschützen? Ganz sicher nicht.
»Aber was machst du hier?« fragte ich vollkommen naiv und ahnungslos. »Solltest du nicht die große konspirative Organisation Lux Aeterna anführen, gegen ihre Gegner, das dogmatische Kerygma und das gierige Oktagon?«
»Alles zu seiner Zeit«, erwiderte Paul Lichtmann, alias Adam Kadmon — nun auch alias Kerstin und begann ein Jojo rhythmisch auf und ab zu rollen. »Dieses Mädchen ist technisch gesehen vor zwei Tagen gestorben. Ich wollte einfach diese einzigartige Gelegenheit wahrnehmen, wieder ein Kind zu sein und einige Tage hierzubleiben. Ich stelle fest, es hat sich nichts geändert. Kind sein ist großartig, Eltern zu haben ist... höchstens ambivalent.«
Nachdenklich nickte ich vor mich hin und versuchte das Mädchen nicht anzustarren. Wir beobachteten einige Augenblicke schweigend die vorbeigehenden Menschen. Konzentrierte Jogger, einsame Frauen mit Hunden, vergessene Rentner, die hierherkamen, um noch einmal das einzuatmen, was sie zunehmend mit ihrer Jugend verbanden: frische, saubere Luft.
»Die Eltern von Kerstin Koch hätten ihr Kind bei einem grässlichen Autounfall mit einem Sattelschlepper verloren. Ich bin in diesem Körper beiseite gesprungen. Aber ich kann nicht für immer hierbleiben und Kerstin spielen. Irgendwann werden sie den Verlust dennoch erfahren müssen. Nur eine Woche später. Ihr Kind wird spurlos verschwinden. Die Polizei wird ermitteln. Die Medien einen soziopathischen Mörder vermuten. Entspricht dem heutigen Zeitgeist.«
»Ich habe so viel gelernt«, sagte ich leise. »In den letzten Tagen... Ich kann nun sehen. Aber ich weiß nicht, wie ich damit leben soll.«
Kerstin hörte auf, mit dem Jojo zu spielen und zuckte entschuldigend mit den Schultern.
»Ich bin mir nicht sicher, ob das unser Problem ist, Jan-Marek. Wir haben dir bereits mehr gezeigt, als den meisten vergönnt ist. Die Engel haben dich in ihr Vertrauen gezogen. Und noch immer beklagst du dich?«
»Ich habe Celeste gerettet. Obwohl sie vermutlich kam, um uns zu töten.«
Kerstin schaukelte nachdenklich mit den Füßen unter der Sitzbank.
»Ich bin dir dankbar für deine Tat. Ich kann dir
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