In den Spiegeln (Teil 1, 2 & 3) - Die dunkle Stadt (German Edition)
mindestens 200 Datensätze unter dieser Rubrik. Doch was ich suchte, befand sich gleich obenauf. Das Datum der Anzeige war weniger als 24 Stunden alt. Ich klickte auf die Überschrift » Unerfahrener sucht reifen Mentor «.
Der gesamte Text der Kontaktanzeige erschien auf dem Bildschirm.
Reizstromsklave sucht nach einem reifen Herrn, der mich online erzieht. Ich habe mir dazu ein Reizstromgerät gebaut, das man über das Internet fernsteuern kann. Mit diesem Gerät kannst du mich kontrollieren und strafen. Bei Vertrauen späteres Treffen nicht ausgeschlossen. A.K. in H.
A.K. konnte nur Adam Kadmon heißen und H.? Vielleicht Hamburg. Es mutete wie ein obskurer B-Film an, dass diese Leute eine gefälschte Porno- und Kontaktanzeigenseite verwendeten, um offen miteinander zu kommunizieren. Doch ob es einem gefiel oder nicht: in praktischer Hinsicht ergab das wirklich Sinn. Die Redewendung »Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten« wurde hier wirklich vorbildlich verinnerlicht. Ich hatte nicht vergessen, dass das Oktagon mir nur einige Stunden, nachdem ich einige inkriminierte Begriffe ins Yahoo! eingab, einen sehr unfreundlichen Besuch abgestattet hatte.
www.extremgeilehausfrauen.de war als Tarnung seltsam, doch zugleich sehr clever.
Unruhig tippte ich meine Antwort.
Eure Freundin liegt in der Römerstraße 3 in der Wohnung von Theophil Schorm und blutet aus dem Bauch. Wenn ihr nicht kommt, lasse ich einen Krankenwagen kommen. JMK in W.
Ich gab dem Mann an der Kasse einen Fünfeuroschein, ohne zu warten, bis er mir gelangweilt und verkatert vorrechnete, wie viele Cent der neuen Währung ich gerade an einem seiner Computer verbraucht hatte.
Zurück in Schorms Wohnung angekommen, lief ich auf Zahnfleisch. Die unbekannte Frau war wieder bewusstlos. Ich befühlte ihren Puls. Er war schwach, doch die Wunde schien nicht mehr so stark zu bluten.
Auf einem kleinen Schrank stand ein CD-Player und daneben lagen einige Stapel CDs. Ich kramte einige Augenblicke darin. Mindestens ein Dutzend CDs fielen dabei auf den Boden, doch ich achtete nicht darauf. Auf einer selbstgebrannten CD standen mit einem Filzstift geschrieben die Worte: »Lieder für meine Beerdigung«.
Mit der Perfektion eines Betrunkenen legte ich die Scheibe auf die Plastikschublade und drückte die PLAY-Taste.
Aus den Lautsprechern erklang »The Look of Love« von Dusty Springfield.
Schorm hatte das sicher für einen absolut hippen Sound gehalten, gemessen daran, dass er sich meistens Schlager aus den Dreißigern anhörte.
Ich ließ mich rückwärts auf den abgewetzten Sessel fallen und saß dort breitbeinig, die Arme schlaff auf den weichen Lehnen und starrte vor mich hin. Die Pistole hatte ich gutsichtbar auf den klei nen Tisch neben dem Sessel gelegt, direkt auf einen Bücherstapel, dessen oberster Band den Titel » Akroasis « trug und von einem Hans Kayser stammte. Das äußerste zu dem ich mich körperlich noch eignete, war das Atmen. Ich sah in den Raum hinein, als befände ich mich am Ende eines langen, dunklen Tunnels. Das Bild begann zu verschwimmen: die Bücherstapel, die an ein buntes Bauklotzmodell von Manhattan erinnerten, das mysteriöse Mädchen auf dem Bett, fahl, wie eine Tapete, mit einem großen roten Fleck auf dem Bauch, die Teetassen auf dem Tisch, aus den Schorm und ich vor nur wenigen Stunden getrunken hatten.
Als ich die Augen wieder öffnete, lief noch immer Musik. Inzwischen war es das ebenso sanfte »Walk On By« von Dionne Warwick. Ich saß noch immer in Theophil Schorms abgewetztem Sessel. In der Wohnung ging es recht lebhaft zu. Ein Mann beugte sich über dem Bett und untersuchte Celeste. Er ließ sich von einem anderen Mann und einer Frau assistieren. Sie beachteten mich nicht. Im Raum befanden sich noch drei weitere Menschen, in schwarzgrauweißer militärischer Bekleidung. Sie trugen moderne Maschinenpistolen in den Händen. Einer von ihnen stand am Fenster und blickte durch einen Spalt im Vorhang hinaus. Ein anderer sah sofort, dass ich wach war.
»Der Typ ist wach, X-Ray«, meldete er sogleich.
»Ich habe jetzt keine Zeit dafür«, rief der Arzt vom Bett, ohne seinen Blick von Celestes Bauchwunde zu heben. »Ist das Blut endlich aufgetaut?«
»Noch 30 Sekunden«, antwortete die Assistentin, während X-Ray, der Arzt, eine zweite Infusion in den Arm der verletzten Frau einführte und anschließend sanft sein Stethoskop an ihre nackte, kreideweiße Brust drückte.
»Helft mir ihre Hose auszuziehen. Ich muss
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