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In den Spiegeln (Teil 1, 2 & 3) - Die dunkle Stadt (German Edition)

In den Spiegeln (Teil 1, 2 & 3) - Die dunkle Stadt (German Edition)

Titel: In den Spiegeln (Teil 1, 2 & 3) - Die dunkle Stadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ales Pickar
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anderen Flussufer die „Bösen“ stehen. Und wir sind noch immer in dieses Konzept tief verliebt.
    Doch wir spüren es alle: mit „Gut und Böse“ lässt immer weniger von dieser Welt erklären, während zunehmend mehr in den Schatten rückt. Und halbe Wahrheiten haben den unangenehmen Beigeschmack von halben Lügen. Und rechnet man sie gegeneinander auf, bleibt oft gar nichts übrig, dass der Rede wert wäre.
    An dieser Stelle muss der nächste Schritt zu einer realen, greifbaren Erkenntnis stets lauten, dass es kein „Gut und Böse“ gibt. Die Abschaffung der Polarität. Etwas in der Art. Doch können wir es schaffen? Ich weiß es nicht. Mein Kopf fühlt sich wie ein Bienenstock an.

Fragment – die falschen Veränderungen

    Wir alle wissen, dass mit unserem Zeitalter etwas nicht stimmt, doch so sehr wir nach einer Wunde tasten, nach dem austretenden Blut und dem Schmerz suchen, so sehr müssen wir feststellen, dass wir nichts derartiges empfinden. Es ist scheinbar nichts da. Durch die lustigen, bunten Bilder des Fernsehers fühlt sich die Katastrophe gut an. Der Schmerz ist da draußen. Bei den Anderen.
    Ein sehr schlechter Stand für den Gewissensdoktor in unserem Kopf. Und so ziehen wir weiter, wie Planetoide auf vorgeschriebenen Bahnen, in der an den Haaren herbeigezogenen Überzeugung, dass wir frei sind und nach Jahrhunderten Hunger, Krankheit und Krieg endlich einen Zustand des Equilibriums erreicht haben. Wir durchqueren Supermärkte, in den Depeche Mode aus den Lautsprechern klingt und alle 60 Sekunden durch die brandneuen Empfehlungen von der Fleischtheke unterbrochen wird. Wir verfolgen mit wohlwollendem Nicken TV-Diskussionen, die davon handeln, wie wichtig es wäre, diesen oder jenen Beitragssatz um 1,4% zu senken. Wir sammeln Bonusmeilen und bekommen jeden Monat irgendeine neue Plastikkarte geschenkt, deren Funktion uns nie richtig klar wird. Wir bestehen auf den Urlaub in Thailand und finden Umweltkatastrophen und schlechtes Wetter total abturnend. Wir finden Berichte über Zwangsprostitution bedrückend, aber auch etwas übertrieben (die Frau im Osten hat eben eine andere, deutlich sexorientiertere Mentalität!). Wir finden, dass AIDS eine schlimme Sache ist (ja wieso gibt es nicht schon längst ein Mittel dagegen?!), aber wir vermuten tief in unserem Inneren, dass diese Neger in Afrika das mit ihrer Promiskuität forciert haben. Wir würden so etwas natürlich nie laut aussprechen. Statt dessen kaufen wir uns die nächste Gangsta-Rap-Hip-Hop-CD (die wirklich Coolen downloaden sie inzwischen aus dem Internet) und finden die Idee auf Cops zu schießen irgendwie faszinierend. Vor allem weil sie in München so viele Strafzettel für Falschparken verteilen und ständig Kiffer belästigen. Wir gehen in lässiger Arbeitskleidung auf After Work Partys und genießen dabei einen diffusen Zustand, den wir inmitten unseres grotesken Konsumrauschs als Freiheit bezeichnen. Aber diese Freiheit gibt es nur, so lange wir ein Konto bei einem Kreditinstitut haben und niemals unseren Arbeitsvertrag aufs Spiel setzen.
    Das Universum ist so groß, doch wir verbiegen uns stets vor dem Schwachsinn mit der größten Masse, der größten Anziehungskraft und lieben es dann, in einem mickrigen, immer kleiner werdenden Kreis zu rotieren. Wo bist du Magellan, wenn wir dich brauchen? Wo ist das Kielwasser des Neuen? Des WIRKLICH Neuen? Nicht der neue Pentium-Prozessor, nicht der neuer Power-Drink mit Guave-Extrakt oder der neue Porsche Boxster.
    Das NEUE ist all jenes, das diejenigen als schmerzhaft empfinden, die in den Gefilden des Alten von dir profitiert haben.

Fragment
    Die Zugehörigkeit des nachfolgenden Textfragments im Gesamtmosaik der Spiegelwelten ist zu diesem Zeitpunkt nicht geklärt.

    Ich hörte seine Stimme. Ich hörte seinen Atem. Röchelnd und keuchend. Sein Gesicht verbarg sich hinter dem schaukelnden Lichtkegel seiner Lampe. Sogar auf Entfernung erkannte ich, dass es keine Taschenlampe war, wie sie in diesen Schächten mein Vater mit sich trug, sondern eine altmodische, verglaste Lampe, in der einige kleine Kerzen standen und hektisch flackerten.
    Nach einer Weile konnte ich erkennen, dass er die seltsamste Kleidung trug, die in meinem jungen Leben damals gesehen habe. Zuerst hatte ich gedacht, es sei ein Bauarbeiterhelm auf seinem Kopf, wie ihn hier alle tragen mussten. Doch es war ein Hut. Eine Melone, mit einer schmalen Krempe. Ich kannte solche Hüte aus dem Fernsehen und ich sah sie in einigen

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