In den Spiegeln (Teil 1, 2 & 3) - Die dunkle Stadt (German Edition)
gewahrt bleibt, begann sein Theaterstück mit dem Auftritt zweier Kräfte, die den Antrieb dieser Welt darstellen. Und mit diesen beiden entgegensetzten Kräften entwickelt diese Welt sich bis heute fort.
Die eine Kraft beruhigt die Dinge und die andere versetzt sie in Bewegung. Die eine Kraft einigt und die andere spaltet. Die eine gewöhnt und die andere verändert. Die eine bedeutet Ordnung, die andere das Chaos.
Beide sind unvereinbar und doch kann die eine ohne die andere niemals existieren. Jede dieser beiden Kräfte hat Tausende Namen und doch ist es stets mehr ein Gefühl, wenn es darauf ankommt sie zu beschreiben.
Und deshalb belegen wir sie seit Jahrtausenden mit Eigenschaften und bewerten sie, je nach dem wie es uns gefällt, oder wer uns gerade die Wahrheit ins Ohr flüstert.
Und je komplexer wir die Welt gestalten, desto komplexer erscheinen diese beiden Kräfte uns. Je weniger wir uns selbst verstehen, desto schwerer können wir sie begreifen.
Sie können mich für verrückt erklären.
Doch meine Welt ist voller Geister. Kaum jemand vermag sie zu sehen, doch mich suchen sie auf, für ihre grausamen Spielchen.
Wer aber einen derartigen Geist benennt, riskiert in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen zu werden. Der Preis aller Andersartigkeit. Auch den Laden kenne ich gut.
Diese Wesen manipulieren uns, sie benutzen uns. Aber sie erhöhen uns auch. Sie sind ein uneiniges Elternpaar, das an uns von beiden Seiten zerrt. Die Geister buhlen um uns. Es gibt uns, weil es sie gibt - und es gibt sie, weil es uns gibt. Sie wollen wachsen und wir wollen es auch.
Die überirdischen Wesen sind wie zwei Armeen, die sich bereits seit Menschengedenken bekriegen. Und wir kennen beide Parteien nur zu gut, so sehr sie mit dem Bann der Verzerrung und Verfremdung belegt wurden.
Es sind die Engel und die Dämonen. Die göttlichen Lichtwesen und die dunklen, diabolischen Fürsten. Die einen säen die Liebe, die anderen den Zweifel. Die einen spenden Geborgenheit, die anderen Angst. Die einen sind hoffnungslos langweilig, während die Dämonen einem das Gefühl geben, dass jeder Augenblick wertvoll ist, da stets alles auf dem Spiel steht.
Die Sehnsucht der Engel ist unsere Geborgenheit und unser Seelenheil. Die Engel möchten nicht, das wir verwirrt sind, ohne Orientierung.
Die Dämonen dagegen erfüllen uns mit Fragen und entzweien uns. Sie stiften uns an, über Ozeane zu segeln und Rätsel zu lösen. Drogen zu probieren und in Abgründe unserer Seelen zu steigen. Sie wollen, dass wir misstrauisch sind und feuern euphorisch den Fortschritt an.
Was war zuerst da, die geistige Reife der Menschen, oder die Einwirkung der Geister? Es gibt keine Antwort auf diese Frage, denn beides kann nur gleichzeitig sein. Das eine ermöglicht das andere und umgekehrt genauso.
Es waren die Engel, die zuerst das menschliche Herz betraten und durch den menschlichen Geist geformt wurden. Was zuerst eine Kraft war, wurde ein Wesen. Denn was zuerst ein Tier war, wurde zum Menschen.
Die Engel waren da, da der Mensch es lernte, sie zu sehen. Er lernte es, sie zu erschaffen, sie heraufzubeschwören. Sein Geist war bereit für Religion.
Der Mensch lernte es zuerst zu beten und dann erst zu zweifeln. Das ist seine Natur.
Der Einfluss der Dämonen war zu diesem Zeitpunkt gering. Sie waren wie Launen in den Gemütern der Menschen. Flüstern in einer Welt, die keine Sprache kannte. Ein Gefühl von Angst auf dem nächtlichen Waldpfad.
Die Engelsschar residierte unter uns in den vergessenen Tagen, die wir heute als Urzeit bezeichnen, angebetet als Götter, Naturgeister und allerlei Götzen. Der Mensch lebte frei von Rätseln in Höhlen und im Schilf. Manche würden sagen, das Leben war noch gut. Doch das sind nur Worte voller Sehnsucht.
DieDämonen durchstreiften das Jenseits, denn das Reich der Toten ist leichter wandelbar und die Verwandlung ist schließlich ihre Domäne. Auch sie waren zuerst nur Kräfte und Gefühle, doch je mehr der Mensch über den Tod und den Verlust nachdachte, je mehr Zweifel er bei seiner Wiedergeburt aus dem Jenseits brachte, desto mehr formte sich die dunkle Kraft im Totenreich zu einem beschreibbaren Spiegelbild seiner Ängste. So brachen die Dämonen, die Teufel, immer wieder durch die Pforten der Träume in unsere Welt und suchten nach einem Gesicht, unter dem wir sie erkennen würden.
Doch vielleicht hätte der Mensch noch weitere 100.000 Jahre in perfekter Harmonie mit der Einheit gelebt, in geistiger
Weitere Kostenlose Bücher