In den Spiegeln (Teil 1, 2 & 3) - Die dunkle Stadt (German Edition)
jemand im Internet Worte wie ›Lichtmann‹, ›Oktagon‹ und ›Tod‹ eingibt, sind wir sofort auf dem Plan. Der Rest war einfach. Nun haben wir wieder ein stattliches Exemplar im Netz.«
»Verschonen Sie mich mit diesem ganzen Holophrenie-Blödsinn«, entgegnet Laura verstimmt. »Ich bin etwas zu lange beim Kerygma, um auf Ihre PR-Gags hereinzufallen.«
»Der junge Mann ist krank«, erläutert Stahl und deutet auf mich. »Darum wollen wir ihn aus dem Verkehr ziehen und mitnehmen. Und gebührend untersuchen. Das versteht sich von selbst...«
»Ich kann das nicht zulassen...«, erwidert Laura. Ihr anfänglicher Sarkasmus ist inzwischen vollständig von ihr gewichen und das Gesicht zu einer kalten Maske erstarrt.
»Wie bitte?« Stahl hob eine Augenbraue.
»Meine Direktive lautet gänzlich anders.«
»Welche Priorität kann das schon haben?« ruft Oberst Stahl verärgert. »Soviel ich weiß, hat dieses Individuum lediglich etwas zu viel von eurer unterirdischen Anlage gesehen. Ansonsten ist er wertlos. Ich versichere Ihnen, dass er davon niemandem erzählen wird...«
»Ich wüsste nicht, seit wann ich dem Oktagon Rechenschaft schuldig bin, Stahl. Außerdem waren wir schon vor Tagen an ihm dran. Sie kommen zu spät...«
»Seien Sie nicht kindisch«, versucht es Stahl noch einmal auf die nette Tour. »Das Kerygma will doch keinen Interessenskonflikt mit dem Oktagon. Nur wegen...« Er wedelt kurz mit der Hand in der Luft, auf der Suche nach einem treffenden Wort. »...dieses unwichtigen Kerls.«
»Ich habe meine Anweisungen«, gibt Laura schroff zurück. «Der Junge kommt nach München und zwar lebend. Doch hier ist mein Vorschlag. Sie können Patrice und Talitha haben. Glauben Sie mir, eine größere Trophäe werden Sie zu Ihren Lebzeiten nicht mehr nach Hause bringen. Und ich behalte das Paket.«
»Sie kennen unsere Bestimmungen. Ein kontaminiertes Subjekt...«
»Sie und Ihre blödsinnige Pandämonie!« schreit Laura Cortez. »Sie glauben doch selbst nicht, dass sie überhaupt existiert, Sie Heuchler...!«
»Fräulein Cortez. Verlieren Sie bitte nicht Ihre Contenance. Gehen Sie zurück. Erklären Sie Rufus Mahr, dass ich es war, der Sie gehindert hat, den Jungen mitzunehmen. Rufus soll mit uns Rücksprache halten. Dann wird sich alles aufklären...«
»Quatschen Sie mich nicht voll, Sie Spinner!« zischt Laura.
»Halten Sie Rücksprache mit Ihrem Vorgesetzten! Jetzt!« Die Stimme des Oberst zittert vor Zorn. Seine Ressourcen auf dem Gebiet der Geduld sind eindeutig erschöpft.
»Hört mal, das hat doch alles mit mir nichts mehr zu tun...«, meldet sich überraschend jemand zu Wort.
Es ist Robert. Er steht unsicher vom Sofa auf und macht tatsächlich Anstalten, die Tür anzusteuern. Es ist zu grotesk.
»Halt´ die Schnauze, Perversling«, raunzt ihn Laura Cortez an. »Hier geht niemand raus, solange ich es nicht sage.«
Robert bleibt mir erhobenen Händen stehen, verunsichert darüber, ob er sich nun wieder hinsetzen soll.
Und dann höre ich dieses leise, vertraute Geräusch, das ein CD-Player macht, wenn er die Scheibe zum rotieren bringt und Daten in seinen Puffer einliest. Für eine Sekunde.
›Oh, nein‹, schießt mir durch den Kopf. ›Der defekte CD-Player.‹
Die Musik kommt brachial und laut. Sie kommt plötzlich und für alle bis auf mich unerwartet. Es ist die einzige Sekunde in diesem Spiel, in der ich mehr weiß, als die anderen. Und diese Sekunde ist schnell vorüber.
Robert erschreckt sich und gibt ein unverständliches Geräusch von sich, das wie »Eya-ja« klingt.
Der Schuss ist wegen des Schalldämpfers und den Technobeats nicht besonders gut zu hören. Frankie, Lauras Söldner, der zuvor Evelyn, sprich Talitha, in Schach gehalten hat, drückt noch einige Male ab und beobachtet ausdruckslos Roberts stürzenden Körper. Im Augenwinkel sehe ich, wie Patrice einen Schritt nach vorne macht, weg von Dino, dem zweiten Killer, ohne ihn dabei anzusehen. Im selben Augenblick schießt eine unwirklich anmutende Blutfontäne aus seinem Hals und spritzt ihre Unterschrift über die Ledersitze des Sofas. Auf der schwarzen Sitzgarnitur erinnert das Blut an Gelee.
Frankie schwenkt bereits um neunzig Grad, um Patrice mit seiner Pistole ins Visier zu nehmen. Doch der Söldner ist nicht schnell genug, um sie zu erreichen. Elegant schwebt sie über das Sofa, auf dem Roberts Leiche ausdruckslos sitzt und vor sich hinstarrt, als würde sie Werbefernsehen gucken.
Regungslos beobachte ich, wie Laura
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