In den Spiegeln (Teil 1, 2 & 3) - Die dunkle Stadt (German Edition)
mit der Geschwindigkeit einer Klapperschlange eine Pistole zieht, die sich offenbar an ihrem Rücken befand und Oberst Stahl in die Brust schießt, um sich beinahe im selben Augenblick Evelyn, ich meine Talitha, zu widmen, die bereits in Lauras Richtung gestürzt kommt. Die Katze ist nicht schnell genug. Talitha tritt nach ihrer Hand und befördert die Pistolen in einem hohen Bogen durch das Wohnzimmer. Die Waffe knallt dicht neben mir gegen die Wand. Ein neuer Schuss löst sich.
Juri stöhnt auf und drückt seine Hand gegen den Bauch.
»Svolotschi! Sobaka!« ächzt er und feuert auf Frankie.
Der Oberst fällt inzwischen rücklings auf das Sofa, um dort breitbeinig neben dem toten Robert sitzen zu bleiben. Mit ausglühenden Augen starrt er den wachsenden Blutfleck auf seinem Hemd. Eine glückliche kleine Familie am Samstagabend.
Vorbei an Juri stürzt sich Sergej in die Richtung von Oberst Stahl. Juri leert im selben Augenblick sein halbes Magazin in Frankies Brust. In der Mitte der Wohnung trifft er auf Patrice, die kaum den Boden zu berühren scheint.
Für einen winzigen Augenblick sieht Sergej den von seinem Körper getrennten Arm durch den Raum rotieren, um einen Herzschlag später in Patrices Gesicht zu starren. Nur eine Handbreit entfernt. Das ultimative Sergio-Leone-Close-Up. Mit unveränderter Eleganz stößt Patrice das Schwert in Sergejs Brustkorb, zieht es wieder heraus und lässt ihn lautlos zu Boden stürzen.
Laura übertrifft alles, was ich bisher in meinem verplemperten Leben erlebt habe. Sie und Talitha tauschen eine Serie von Schlägen und Blöcken aus. Nur wenige Sekunden später ist in meinem Wohnzimmer kein Möbelstück mehr heil.
Patrice rennt an Juri vorbei, der inzwischen auf dem Boden kniet, seine Hand gegen den Bauch presst, während dunkles Blut zwischen seinen Fingern rinnt. Sie verschwindet in der Küche. Ich höre sie dort herumkramen und Sachen durch die Gegend werfen. Wieso verstehe ich bei solchen Begegnungen immer am wenigsten? Ich sehe, wie Juri orientierungslos nach einer Pistole tastet. Ich sehe sie auf dem Teppich und greife schließlich nach ihr.
Er blickt zu mir hoch und sagt mit seinem charakteristischen russischen Akzent: »Wirrr wollen dich nurrr gesund machen, Junge. Du brrrauchst Medikamente, nicht Pistole.«
Plötzlich gelingt es Talitha den Arm von Laura zu greifen und ihn seltsam zu verdrehen, doch die Katze springt hoch, stößt sich mit den Füßen an der Kommode ab und beschreibt dadurch einen Salto rückwärts. Befreit aus dem Griff, tritt sie Talitha geradlinig in den Bauch. Diese fliegt rückwärts und gleitet mindestens vier Meter auf dem Parkett. Sie bleibt nur einen Schritt von meinen Füßen entfernt liegen. Sofort drückt sie sich vom Boden ab und springt wie von einer Stahlfeder angetrieben wieder hoch.
»Ich muss langsam gehen, ihr Süßen«, ruft Laura und pustet die Luft aus ihren Lungen. Sie blickt auf ihre Armbanduhr und beginnt wie eine Kurzstreckenläuferin durch das Wohnzimmer zu rennen, hinaus zum Balkon. Im Laufen greift sie an ihren Gürtel, rollt ein dünnes Drahtseil aus, an dessen Ende ein Karabiner hängt, klickt ihn an eine der Stangen des Geländers und eine Sekunde später ist sie verschwunden.
»Es ist nicht in der Küche«, höre ich Patrice rufen.
Ich blicke schnell zu Talitha. Sie sieht mich an und scheint wieder einmal mehr zu verstehen als ich.
»Raus, raus, raus!!!«
Ich sehe wie Patrice ihre Schwertspitze Oberst Stahl an den Hals hält. Er atmet schwer und starrt sie wortlos an.
»Warum war sie hier, Stahl?« sagt sie mit einer Stimme wie Eis. »Was wollte sie...?«
Stahl gibt nur ein Röcheln von sich. In seinen Mundwinkeln bilden sich Blutbläschen.
Talitha, the artist formerly known as Evelyn , schubst mich grob durch die Küche in Richtung Wohnungstür.
»Schneller, Mann«, bellt sie. »Schnell! Wir sollten längst raus sein.«
An der Wohnungstür holt uns Patrice ein.
»Jetzt reichts!« Ich reiße mich los und stoße Talitha von mir. »WAS — GEHT — HIER — AB?!«
Im nächsten Augenblick durchdringt mich das trockenste und zugleich lauteste Geräusch, das ich je zuvor gehört habe. Alles scheint in Bewegung zu sein. Mauerteile und Möbeltrümmer fliegen um mich herum. Alles ereignet sich gleichzeitig. Meine Kindheit, mein Leben, die letzten zwei Tage, die Gegenwart. Ich werde fortgerissen und lande in einer Wolke aus Kalk und Staub auf dem Boden.
Dann ist es plötzlich still.
Zählerableser. Ich fand
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