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In den Spiegeln - Teil 2 - Evelyn

In den Spiegeln - Teil 2 - Evelyn

Titel: In den Spiegeln - Teil 2 - Evelyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ales Pickar
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denken, in einem Buch über Dinosaurier, das ich als Kind gerne las. In den Siebzigern gab es noch die vorherrschende Meinung, dass die ganz großen Saurier einen so langsamen Metabolismus besaßen, dass ein Fleischfresser ihnen zehn Minuten lang heimlich den Schwanz abfressen konnte, bis sie überhaupt den ersten Schmerz spürten. Auf der stimmungsvollen Zeichnung konnte man einen Velociraptor sehen, der gemütlich den behäbigen Brachiosaurus von hinten auffraß, während der dicke Vegetarier mit dem Giraffenhals anteilnahmslos an den Blättern einer Zypresse zupfte. Wir gehen durchs Leben wie korpulente Dinosaurier und die Zeit ist der Fleischfresser in unserem Nacken. Das ist keine Neuigkeit. Dennoch hatte ich nie den Eindruck, dass unsere Erkenntnisfähigkeit daraus irgendeine Konsequenz zog.
    Ich zog mir meinen warmen Bademantel an und machte mir einen Kaffee. Mit der dampfenden Tasse in der Hand setzte ich mich ans Fensterbrett. Die Luft war kühl und feucht. Sie kündigte Regen an.
    »Wo seid ihr, ihr Mistkerle?« brummte ich und musterte die Straße. Ich wollte ein auffälliges Auto, eine Gruppe aus Leuten identifizieren, die meine Wohnung beobachteten. Einen einzelnen Mann im Trenchcoat, der eine Zigarette rauchte und sich lässig gegen eine Laterne lehnte. Doch da unten waren nur Leute, die emsig ihrer täglichen Beschäftigung nachgingen.
    Nach einer Weile erkannte ich Evelyn. Sie überquerte die Kreuzung und kam auf mein Haus zu.
    Sie trug an diesem Tag einen adretten, schwarzen Pyjama. Die Voilebluse war fernöstlich inspiriert und hatte einen hohen dunkelroten Stehkragen. Die schwarze Seidenhose war kurz geschnitten und endete oberhalb ihrer Knöchel auf. Die nackten Füße steckten in schwarzen Espadrilles. Sie wirkte wie eine Khmer Rouge auf dem Laufsteg. Evelyns Kleidung war stets eine Augenweide und ein Schlag auf die Nase in einem. Wie ausgefallen ihre modischen Ideen sein mochten, stets hatte man den Eindruck, sie passten perfekt zu ihrer Gestalt und ihrem Charakter und überhaupt nicht zu ihrer Umgebung oder gar zur Jahreszeit. Es mussten schon anderthalb Meter Schnee fallen, bis sie einen Minirock anzog.
    Gähnend betrat ich den Flur und sah das Sofa. Ich hatte es in der Nacht tatsächlich geschafft, es durch den schmalen Durchgang aus dem Wohnzimmer vor die Eingangstür zu schieben.
    Ich legte den Teller beiseite und schon das Sofa zumindest einen Meter zurück, damit sich die Tür öffnen ließ. Dann wartete ich, bis sie klingelte.
    »Etwas kalt für solche Schuhe«, begrüßte ich sie.
    »Besser als mit einem Draht ins Auge«, erwiderte Evelyn.
    Sie kletterte über das Sofa, um ins Wohnzimmer zu kommen, während ich faul den Umweg über die Küche nahm.
    »Muss ich das verstehen?« rief sie mir zu.
    »Nicht wirklich«, brummte ich.
    Als ich im Wohnzimmer ankam, stand Evelyn schon vor dem CD-Player und kramte aus meinem Stapel, der eigentlich ihr Stapel war, eine CD hervor. Nur Sekunden später wurde die Wohnung von Beats und Dezibel von The Prodigy erschüttert.
    Ich ließ den Bademantel fallen, stieg taumelnd in meine Jeans und zog mir ein T-Shirt über, auf dem Miki Nakatani verträumt zur Seite blickte.
    Dann machte ich mir die Lautstärke zunutze und stemmte diskret vor mich ächzend das Sofa ins Wohnzimmer zurück.
    Anschließend ließ ich mich darauf fallen, wischte mir den Schweiß aus der Stirn und beobachtete Evelyn.
    Verdammt, dachte ich. Heute ist der Tag, an dem ich abhauen muss. Wie sage ich es ihr nur?
    Sie drehte sich paar Mal um ihre Achse und sprang in die Luft, während sie dabei wie eine Ballerina ihre Füße kreuzte. Als sich unsere Blicke kreuzten, lächelte sie mich an.
    Nachdem sie die Hälfte ihres Programms absolviert hatte, merkte ich, dass das klangfremde Schellen im Raum nicht zu den Sounds von The Prodigy gehörte, sondern die Türklingel war.

Fragment: Gesprächstransskript 72.
    Kasuistik Nr. 245/B (2011.05.16, Auszug)
     
    Dr. Romell: Guten Morgen, Jan-Marek. Haben Sie gut geschlafen?
    Jan-Marek Kámen: Ich weiß es nicht, Herr Doktor. Ich bin meistens zu stoned, um es beurteilen zu können.
    DrR: Glauben Sie mir, die Medikamente sind gut für Sie.
    JMK: Halleluja. Gute Medikamente. Gut schlafen. Ende gut, alles gut.
    DrR: Nun, ich finde, Sie machen Fortschritte. Erinnern Sie sich noch, wie Sie sich mit den Pflegern geprügelt haben?
    JMK: Sie meinen die Wärter.
    DrR: Die Pfleger.
    JMK: Die Wärter.
    DrR: Das hier ist kein Gefängnis, Jan-Marek.
    JMK: Sie

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