In den Spiegeln - Teil 2 - Evelyn
wollen mir nur einreden, es ist ein Irrenhaus, so wie Sie mir einreden wollen, ich sei verrückt. Aber sehen Sie sich an, was Sie hier den ganzen Tag tun. Wenn ich verrückt bin, sind Sie es schon lange.
DrR: Das mag sein, Jan-Marek. Aber ich bekomme dafür ein Gehalt. Schauen Sie sich an, wohin es Sie gebracht hat.
(Dr. Romell blättert in Unterlagen)
DrR: Ich habe Ihre gestrigen Aufzeichnungen gelesen. Sehr aufschlussreich. Möchten Sie darüber reden?
JMK: Ich nehme an, Sie wollen darüber reden.
DrR: Ich würde gerne darüber reden. Ist das für Sie in Ordnung?
(Patient nickt)
DrR: Erklären Sie mir bitte, wie sich diese drei Gruppen, die sich da in Ihrem Wohnzimmer einfanden, zu einander stellen. Lux Aeterna, Kerygma und Oktagon.
JMK: Das ist sehr... Sehr lehrerhaft, es mich aufsagen zu lassen.
DrR: Weshalb ist es lehrerhaft?
JMK: Weil Sie all diese Antworten schon kennen. Es sind also lehrerhafte Fragen.
DrR: Sie meinen rhetorische Fragen?
JMK: Das sage ich doch. Wenn Sie mich nicht ständig mit Drogen vollpumpen würden, würde ich sicherlich weniger nuscheln.
DrR: Gehen wir alles der Reihe nach durch. Wer ist Lux Aeterna?
JMK: Sie denken vermutlich, dass das Teufelsanbeter sind.
DrR: Aber was denken Sie?
JMK: Glauben Sie mir, die beten zu niemandem.
DrR: Aber der Teufel ist im Spiel.
JMK: Den trifft man nicht sehr oft. Aber ja, er sitzt stets am Spieltisch. Die Lux Aeterna ist sein Arm auf dieser Welt. Sein Muskel. Besser gesagt seine Hand. Er hat immer seine Hand im Spiel.
DrR: Sie beschreiben das als... die ›Schatten‹.
JMK: Hören Sie doch zu. Ich beschreibe gar nichts. Ich sage nur was war. Die ›Inferni‹ sind real. Aber man kriegt heute nicht mehr sehr viele Dämonen zu sehen.
DrR: Also sind die Mitglieder der Lux Aeterna Dämonen?
JMK: Nein. Sie sind deren Arm. Ein Arm vertritt den Gedanken. Klar? Mann. Sie könnten mich einfach ausnüchtern lassen. Ist doch Blödsinn sowas...
DrR: Lux Aeterna besteht also aus Menschen.
(Stille)
JMK: Ja, kann man wohl so sagen.
DrR: Warum haben Sie gezögert?
JMK: Ich denke, wenn Menschen eine Weile etwas tun, was andere Menschen nicht tun, hören sie auf richtige Menschen zu sein.
DrR: Was sind sie dann?
(Stille)
JMK: Untote. (senkt die Stimme) Ich habe die Antwort darauf, wer Untote wirklich sind. Sehen Sie sich Horrorfilme, Vampir-Romane, Werwölfe an... Es ist so klar, Mann. Diese Sachen, diese... moderne Mythologie gab es vor dem Ende des 19. Jahrhunderts kaum. Und wer taucht zur selben Zeit auf?
DrR: Lux Aeterna?
JMK: Genau!
DrR: Aber sie sind doch keine Vampire.
JMK: Sie meinen, ob sie das Blut halbnackter Jungfrauen trinken? Mann. Die interessieren sich nicht für Nackte oder Jungfrauen. Aber das ist das Problem. (spricht wieder leise) Wenn die sich für das Blut nackter Jungfrauen interessieren würden, wären sie keine Vampire. Verstehen Sie das?
DrR: Erklären Sie es mir.
JMK (lacht konspirativ) : Es ist doch ganz klar. Menschen sind Menschen, weil Menschen sterben. Menschen haben Angst. Angst ist das erste Gefühl. Alles andere kommt später. Wenn Sie aber keine Angst haben und nicht sterben können, sind Sie kein Mensch mehr. Und dann interessieren Sie sich auch nicht mehr für nackte Jungfrauen. Capisce?
DrR: Woran haben Sie das gemerkt?
JMK: Die haben nie etwas miteinander oder untereinander. Verstehen Sie? Diese Jungs und Mädels verbringen so viel Zeit in denselben Räumen, auf Reisen, in Hotelzimmern... Techtelmechtel? Niemals. Ich meine, wo gibt es das denn? Die sind immer gut angezogen, haben aber keinen Spaß dabei, Kleidung auszusuchen. Sie sind freundlich und lächeln viel, sind charmant. Aber die meiste Zeit fühlt sich das wie...
(Schweigen)
JMK: ...wie eine Maske, die sie tragen. Wie eine Theateraufführung.
DrR: Und wieso müssen sie nicht sterben?
JMK: Weil die Dämonen ihnen einen Weg gezeigt haben, den Tod zu überwinden.
DrR: In dem sie aus dem Jenseits kommen und Körper von anderen Menschen stehlen.
JMK: Aschewerdung... Nicht die feine englische Art. (zögert) Aber irgendwie auch schön...
DrR: Weshalb ist es schön?
JMK: Sie stehlen nur von jenen, die ohnehin sterben würden.
DrR: Und das ist Ihrer Freundin passiert?
JMK: Ja... Zuerst war sie Evelyn, dann war sie Talitha. Nur der Körper blieb derselbe. Wie ein Auto.
DrR: Was bedeutet das ›wie ein Auto‹?
JMK: Wie wenn Sie morgens in die Garage gehen und da ist ihr Auto, so wie Sie es kennen, aber in Wirklichkeit hat jemand
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