In den Spiegeln - Teil 2 - Evelyn
klemmt das Clipboard unter ihren Arm, bereit Dr. Mårtenssons Wohnung zu betreten.
»Warten Sie hier.« Ich knalle der Frau die Tür vor der Nase zu und kehre ins Wohnzimmer zurück.
»Die ThermAktiv«, erkläre ich Oberst Stahl. »Die will nur schnell die Zähler ablesen.«
»Nun, schicke sie weg!« ordnet Stahl an. »Wir haben keine Zeit für so was.«
Zum ersten spricht einer der Schläger. Es ist Juri. Er hat einen starken russischen Akzent und wirkt wie eine Gestalt in einem Hollywood-Film.
»Heizungs...«, sagt er langsam. »...ableser«.
Stahl sieht ihn kurz an.
»Wirrr sollten sie ansehen...«
Oberst Stahl nickt und gibt stumm Anweisungen. Sergej und Juri lotsen Evelyn und Robert zum Sofa und drücken sie in die weichen Polster. Oberst Stahl nimmt neben Robert Platz, während Sergej sich neben Evelyn setzt und ungezwungen seine Beine übereinander schlägt. Juri lässt sich lässig in einen der Sessel fallen. Ihre Pistolen verschwinden zwischen den Matratzen.
Ich laufe zurück zur Wohnungstür, um die Katzenäugige hineinzulassen.
Die ThermAktiv-Frau spaziert in die Küche. Die Architektur kennt sie aus den anderen Wohnungen über mir, oder unter mir und so muss ich ihr nicht zeigen, wo es langgeht.
Ich blicke noch ein Mal durch die offene Wohnungstür hinaus, auf das Treppengeländer vor mir. Ich könnte jetzt losrennen und würde es sicherlich schaffen. Doch ich kann nicht. Ich kann nicht davon laufen, während Evelyn da drin ist, mit diesen Leuten.
Sanftes Grün. Was hat es nur zu bedeuten?
Die fünf Leute, die um den niedrigen Glastisch sitzen, muten in meinen Augen höchst verdächtig an. Sie wirken wie Amateurdarsteller auf einer Theaterbühne, unterbrochen mitten im Satz. Die Heizungsableserin muss sich denken, dass wir eine Schraube locker haben.
Juri plappert etwas von einem Sportwagen und Oberst Stahl wirft ein unkonzentriertes »Ja, ja. Richtig. Ja«, dazwischen, während er versucht einen Blick auf die ThermAktiv-Mitarbeiterin zu werfen
Die Blondine kehrt aus der Küche zurück, läuft wortlos an mir vorbei und verschwindet im hoffnungslos unordentlichen Schlafzimmer. Ich blicke zurück zu Robert. Er sitzt da und starrt ausdruckslos vor sich hin. Dann zieht er ein großes Taschentuch mit seinen Initialen hervor und trocknet sich damit die Stirn. Der Fatzke muss immer übertreiben, denke ich mir, während mein Blick zurück zu Evelyn schwenkt.
Es klingt wie ein Stöhnen, oder das Keuchen eines Menschen, der aus dem Wasser auftaucht. Ich starre sie an und versuche zu verstehen, weshalb sie keucht und nach Luft ringt. Sie greift sich an ihren Kopf, als würden sich Nadeln in ihr Gehirn bohren. Der Schmerz verdreht ihren Körper, wie ein Paragrafenzeichen. Während sie sich auf dem Sofa windet, starrt sie der danebensitzende Robert mit dem Blick eines Horrorfilm-Statisten an. In drei, höchstens vier Sekunden ist es vorbei.
Ich hatte dieses Verhalten schon einmal gesehen.
Sergej ist inzwischen aufgesprungen und zielt mit seiner Pistole auf sie.
»Eine Verwandlung!« zischt er.
»Wir haben hier ein Benefizium. Kode Rot!« höre ich die Stimme der Heizungsableserin.
Ich blicke mich um. Sie steht hinter uns und spricht in ihre Armbanduhr.
Draußen tritt jemand unsere Haustür auf.
»Sie können mit dem Theater aufhören, Stahl!« sagt die Heizungsableserin. »Sagt hallo zu Dino und Frankie.«
Zwei Kerle betreten wortlos die Bühne. Sie sind augenscheinlich von der gleichen Garnitur, wie die beiden Exemplare, die mich am Vorabend in die Mangel genommen haben. Sie tragen schwarze Lederjacken und blicken beide in die Runde, als hätte ihre Gesichter noch niemals ein Lächeln gestreift. In den Händen halten sie Pistolen mit diesen typischen phallischen Verlängerungen zur Schalldämpfung.
Der eine tritt an Robert vorbei und nimmt mit ausdrucksloser Miene Evelyn ins Visier
Plötzlich glänzt da etwas an Dinos Hals. Er steht der Wohnzimmertür am nächsten. Sein Gesichtsausdruck verändert sich unmerklich von »das ist alles so langweilig hier« zu »hm, das ist interessant« . Langsam und bedächtig betritt Tina das Zimmer.
Sie hält die Klinge des Kurzschwerts an den Hals des Mannes, dessen Hand mit der Pistole sich nun senkt. Die lange Katana wiegt sie in der anderen Hand, halb gesenkt, doch von ihrem Körper weggestreckt.
»Hallo Patrice«, sagt die blonde Katze zu Tina. »Du bist also in Hamburg. Hätte ich das gewusst, wäre ich viel früher vorbeigekommen. «
»Hallo,
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