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In den Städten, in den Tempeln

In den Städten, in den Tempeln

Titel: In den Städten, in den Tempeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Horst & Brandhorst Pukallus
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Flammenzungen empor. »Wir haben das Kernfeuer der Venus angezapft, auf daß unsere Seelen schmoren mögen in ...« Der Rest verlor sich in dem Geheul zweier Greise, die sich am Rande des Wandelpfades am Boden wälzten. Clay blieb schockiert stehen. In ihren Körpern zeigten sich tiefe und eitrige Wunden, aus denen eine wäßrige Flüssigkeit sickerte. Ein Messianer mit Lorbeerkrone auf dem Kopf kniete neben ihnen nieder. Als er ihre Aussätzigenmale mit der Hand berührte, schlossen sich die Wunden, und die Zuckungen der Greise ließen nach. Ihre Gesichter erstrahlten von innen heraus; mit der Flinkheit junger Männer sprangen sie auf die Beine und riefen: »Wir preisen den Wahren Herrn, denn er hat uns geheilt. Seht uns an; es ist ein Wunder Gottes.«
    »Ganzkörpermasken«, sagte Marita Ribeau angesichts der Verblüffung in der Miene des Comptrollers. »Die Wunden ...«
    »... waren natürlich nicht echt«, vervollständigte Tasche.
    Clay warf sowohl der Sphärenschwimmerin als auch dem schwarzen Koffer einen düsteren Blick zu und wandte sich von den beiden einen Lobgesang anstimmenden Greisen ab.
    »Muß Sie Ihre Privatbastion eigentlich auf Schritt und Tritt begleiten?« fragte Marita. Sie trug nun ein Gewand, das sowohl Brüste als auch Po verhüllte; doch es war hauteng, fleischfarben und mit Musterungen versehen, die dem Betrachter mehr versprachen, als es wirklich hielt. Die großen, murmelförmigen Augen schimmerten in ihrem dunklen Gesicht.
    »Es ist nötig«, sagte Clay kühl. »Tasche kann mir bei meinen Untersuchungen assistieren.«
    »Ach.«
    »Ich möchte Sie um eins bitten«, sagte Clay, blieb stehen und sah sie an. Priester und ihre Jünger zogen singend an ihnen vorbei. In den Teichen quakten Venusfrösche – wahre Riesen aus den Labors der Geningenieure von Allnatur –, und aus den Kronen der Mammutbäume, Wanderfichten und Glimmerblättler stoben die Funken von Glühvögeln, Lichter, die sich auf den Wassern widerspiegelten. »Bitte schweigen Sie, wenn ich Herbignac befrage. Es ist ganz einfach; man braucht nur den Mund zu halten.«
    Und mit diesen Worten drehte er sich abrupt um und schritt dem Heiligen Zentrum der Energetensphäre entgegen.
    Marita Ribeau schwieg tatsächlich, aber das unerschütterliche Lächeln in ihrem Gesicht sagte mehr aus als tausend Worte.
    Ein endloser Strom aus mit geneigten Häuptern dahinmarschierenden Männern und Frauen wälzte sich dem Tempel der Energetensphäre entgegen. In den Teichen blubberte es nun; Nebelschwaden stiegen empor, untermalt von einem düsteren Raunen, das aus allen Richtungen zu kommen schien. Die Nebel wurden von imaginären Winden dahingeweht und nahmen manchmal diffuse Gestalt an: die Konturen von Geschöpfen, die scheinbar direkt der Hölle entsprungen waren, geifernde Dämonen, Versinnbildlichungen des Bösen an sich, des Unheils, das selbst den Seelen der Gläubigen drohte. Sphärengesänge erklangen, tröstende Hymnen von großer Eindringlichkeit. Clay erinnerte sich daran, daß Tasche eine Strahlung erwähnt hatte. Suggestion, natürlich. Nicht sonderlich stark, aber ausreichend, um einen nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen, wenn man sich diese Tatsache nicht unentwegt bewußt machte. Seelenstraße hatte zunächst fast lächerlich auf den Comptroller gewirkt. Clay war ein Mann, der sich eher mit weltlichen und realen Problemen auseinandersetzte, und die Tag- und Nachtirren in der Tiefstadt von Metrocago ließen sich bestimmt nicht mit Beschwörungen oder Gebeten abwehren. Doch je länger er sich in dieser Lokation aufhielten, desto mehr wuchs das nervöse Unbehagen in ihm. Er hielt nach Shereen Ausschau, doch die Menge der Kirchgänger war anonym – eine Schlange mit einer schier endlosen Zahl von Ringgliedern, eine langsam dahinkriechende Masse, die nun ein monotones Summen angestimmt hatte und flankiert wurde von Priestern, die Gebetsrollen schwangen und dann und wann einen heiseren und krächzenden Aufschrei von sich gaben. Hatte sich Shereen davon beeindrucken lassen? War sie auf diesen Mummenschanz hereingefallen?
    Die Gebäude des Heiligen Zentrums waren aus purpurnem Marmor errichtet worden, die Seelenstraße von Luna importiert hatte. Clay schwindelte, als er an die horrenden Kosten dachte, und er erinnerte sich an die Aufstellungen des venusinternen Zahlungsausgleichs, die ihm das Sozialbüro Yama Jambavats zur Verfügung gestellt hatte. Seelenstraße gehörte zu den Lokationen mit den größten Aktiva. Und die Kirchen,

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