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In den Städten, in den Tempeln

In den Städten, in den Tempeln

Titel: In den Städten, in den Tempeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Horst & Brandhorst Pukallus
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blauen Augen blickten wach und aufmerksam, und das blonde Haar fiel ihm tief in die Stirn. Er spannte die Muskeln und lächelte dünn, als sie sich unter dem Stoff der Hemdjacke abzeichneten. Es war eine Kraft, die in der Tiefstadt Metrocagos gewachsen war, und er war stolz auf sie. Abrupt drehte er sich um, öffnete die Tür und schritt in den Wohnbereich hinein. Tasche folgte ihm summend. Marita Ribeau stand am Ufer des kleinen Teiches mit dem spritzenden Geysir. Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln.
    Clay blieb wie angewurzelt stehen. »Wie sehen Sie denn aus?« sagte er.
    Ihr Haar glich nun einem festen Kokon aus gesponnenem Silber, der ihren Kopf helmartig umschloß. Unterhalb ihrer Augen waren zwei Kristalltränen befestigt, und die auf den Lidern tätowierten weinenden Augen waren verschwunden; statt dessen zeigten sich dort nun zwei flammende Blitze, die ihr, wenn sie zwinkerte, den Ausdruck eines Racheengels verliehen. Gelbrote Projektionsflammen züngelten über ihre Wangen. Untermalt wurde dieses bizarr-exotische Erscheinungsbild von einer blau-roten Tunika, die auf den ersten Blick nur aus Hunderten einzelner Fetzen zu bestehen schien, sich bei näherem Hinsehen aber als überaus subtil geschnittenes Kleidungsstück erwies. Es raschelte wie ein Laubwerk, durch das eine Windbö fuhr, und bei jeder Bewegung wurden entweder ihre geschminkten Brüste, ihr Nabel – auf dem eine überdimensionale Pupille lächelte – oder Oberschenkel und Po entblößt. Clay stellte fasziniert fest, daß das schwarze Dreieck zwischen ihren Schenkeln mit Tausenden winziger Perlen geschmückt war.
    »Wenn Sie auf der Erde so herumlaufen würden, dann ...« Er rang um seine Fassung.
    »Ich glaube, ich erwähnte es bereits«, entgegnete Marita Ribeau. »Wir sind hier auf der Venus, geehrter Comptroller. Und hier ist alles anders.«
    »In der Tat.« Clays Gesicht lief rot an. »Sie sehen aus wie eine verdammte ...« Er verschluckte das letzte Wort.
    Sie lächelte. Sie lächelte immer. »Wie eine Hure?« Sie seufzte. »Was ist so verdammenswert daran, wenn sich eine Frau dazu entschließt, Freude zu schenken? Es gibt hier einige Lokationen in denen die Profession der Genußbereiterin – oder auch die des Genußbereiters ...« – ihr Lächeln gewann eine anzügliche Qualität – »... weit verbreitet ist. Und die entsprechenden Männer und Frauen werden von allen respektiert. Bei Ihnen müssen sich Frauen verkaufen , um überleben zu können; das hat nichts mehr mit Freude zu tun.« Sie warf ihm ein kleines Päckchen zu. »Ziehen Sie das an, Dalmistro. Ihre blaue Kombination ist zwar recht hübsch – wenn auch ein wenig altmodisch –, aber für das, was wir vorhaben, denkbar ungeeignet.«
    »Was haben wir denn vor?« fragte Clay mißtrauisch.
    »Sie suchen doch Ihre Tochter, oder nicht? Und wenn ich mich recht entsinne, erhielten wir die Information, sie sei nach Nirwana gegangen. Für alle Besucher aus anderen Kulturinseln, besonders aber für uns Sphärenschwimmer, die wir auch Zugang zu den separierten Lokationen haben, ist es unabdingbar, sich den gegebenen Verhältnissen anzupassen. Dazu gehört auch die entsprechende Bekleidung.«
    Sie lächelte ihn an. Clay haßte dieses Lächeln und die stumme Überlegenheit, die darin zum Ausdruck kam. Er verabscheute ihren Spott, der nur den Zorn in ihm nährte. Eine solche Frau auf der Erde ... ein paar Augenblicke lang gab er sich dieser Vorstellung hin und genoß die sich daraus ergebenden Konsequenzen. Dann drehte er sich jäh um und verschwand in der Hygienezelle, um sich umzuziehen. Zwei Minuten später kam er wieder daraus hervor.
    »Das ziehe ich nicht an«, sagte er leise. »Das können Sie nicht von mir verlangen.«
    »Oh«, machte Marita Ribeau und breitete die Arme aus; ihre Brüste ragten wie zwei sanft gewölbte Hügel zwischen den Fetzen ihres Gewandes hervor. »Von mir aus können Sie anziehen, was Sie wollen. Aber ohne das da«, sie deutete auf das Bündel in Clays Hand, »kommen wir nicht sonderlich weit. Und wenn Ihnen wirklich etwas an Ihrer Tochter liegt ...«
    Clay warf die Tür der Hygienezelle hinter sich zu. Diesmal dauerte es eine ganze Weile länger, bis er wieder in den Wohnbereich trat. Er trug nun ein ledernes Stirnband, von dem ein lumineszierendes, hauchdünnes Tuch bis zu seiner Brust herabhing; der Eigenglanz des Stoffes verbarg die Röte seines Gesichts nur unvollkommen. Bekleidet war er mit einem enggeschnittenen, robenähnlichen Gewand, das

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