In den Städten, in den Tempeln
kräuseln.
»In MammaGrande haben Sie sich gewehrt«, sagte die Sphärenschwimmerin kalt. »Diese Notfallsituation ist nun vorbei, und deshalb sind weitere Aggressionen nicht tolerierbar, Comptroller. Es ist Ihr großer Fehler, daß Sie nicht differenzieren können. Sie reagieren auf alles, was Ihnen nicht paßt, mit Gewalt. Ich habe mich eine ganze Weile gegen diese Einsicht gesträubt und gehofft, Sie würden sich eingewöhnen. Aber ich habe mich getäuscht. Sie sind in Ihrem innersten Wesen gewalttätig. Sie gehören nicht hierher, Dalmistro. Sie sind eine Pestbeule, die einen gesunden Körper zu infizieren droht. Ich sehne den Tag herbei, an dem Sie von hier verschwinden.«
»Vorher erledige ich Herbignac!« schrie Clay.
Marita Ribeau lächelte ihn an, und diesmal glänzte in ihren Augen Spott und Verachtung. »Ich hole Sie morgen früh ab, dann besuchen wir den Hyperprotektor gemeinsam. Ruhen Sie sich aus, Comptroller. Entspannen Sie sich. Denn wenn Sie morgen wieder einen Wutanfall haben, ist es Ihr letzter, haben wir uns verstanden? Ein weiteres Mal läßt Sie das Ferroplasma nicht so glimpflich davonkommen. Ruhen Sie sanft, Comptroller.« Sie drehte sich um und warf die Tür hinter sich zu.
Clay hieb mit den Fäusten auf den Boden der Ruhekammer ein und schrie »Verdammtverdammtverdammt!«, so lange, bis es in seinem Hals kratzte und er husten mußte und auf das Ergpolster zurückkroch.
Lange Zeit starrte er an die Decke und genoß das Gefühl neu erwachender Kraft. Dann faßte er einen Entschluß.
»Tasche?«
Der schwarze Koffer schwebte heran. »Ja, Comptroller?«
»Du verfügst doch auch über einen reichhaltigen Vorrat an Chemopräparaten, nicht wahr?«
»In der Tat«, antwortete Tasche stolz.
»Gut.« Clay grinste zufrieden. »Ich brauche ein Mittel, das meinen Emotiohaushalt dämpft, keineswegs aber meine Entschlossenheit beeinträchtigt oder mich in irgendeiner anderen Weise beeinflußt. Kannst du mir so etwas zur Verfügung stellen, Tasche?«
Der schwarze Koffer summte. »Ich denke schon.«
Clay nickte, sprang von dem Ergpolster herunter und kleidete sich an.
Er fühlte eine dumpfe innere Leere, als er über den breiten Wandelpfad von Seelenstraße auf das Heilige Zentrum der Seligen Sphäre der ESPer-Energeten zuschritt. Um ihn herum klebte Dunkelheit. Nacht – am Kunsthimmel flackerten die künstlichen Sterne; Licht in einer Wellenlänge von rund dreihundert Nanometer, was für das menschliche Auge nicht ausreichte, um eine solche Beleuchtung als »Tag« zu klassifizieren.
Zu dieser späten Stunde waren nur noch wenige Menschen unterwegs. Einige hockten an den Besinnungs- und Meditationssäulen am Wegesrand und drehten leise ihre Gebetsmühlen. Andere ließen sich in flirrenden Ergschächten emportragen zu den Wolken, um bei einem Becher Wein und dezenter, religiöser Musik über das Kirchengeschehen zu diskutieren. Vor und an dem purpurnen Marmortempel glühten Leuchtlanzen.
Clay bewegte sich so leise wie möglich, und Tasche hatte ihm außer dem Chemopräparat auch noch eine Chamäleonkombination zur Verfügung gestellt, deren Textilfasern sich der Farbe und Beschaffenheit des jeweiligen Hintergrundes anpaßten. Clay war vorsichtig. Er hatte die Warnung Marita Ribeaus nicht vergessen, und er war sich auch der Gefahr bewußt, ausgewiesen zu werden, wenn er der Institution Föderatus noch einmal unangenehm auffiel. Er hielt sich fern von dem Bereich, den die Passanten bevorzugten. So dauerte es zwar länger, den Tempel zu erreichen, aber es war bedeutend sicherer. Wenn ihn niemand sah, konnte auch niemand gegen ihn aussagen. Und wenn er erreichte, was er beabsichtigte, würde man wohl kaum Anklage gegen ihn erheben – jedenfalls nicht derjenige, den er zu besuchen gedachte.
Das Heilige Zentrum der Energetensphäre war eingehüllt von einer Aura der Stille. Der breite Haupteingang war geschlossen, aber Clay entdeckte kurz darauf einen offenstehenden Nebenzugang, was ihn der Notwendigkeit enthob, die Elektroniken des Mehrzweckgürtels einzusetzen, den er an der Hüfte trug. Einem Schatten gleich – und für die ungeübten Augen eines zufälligen Betrachters war er tatsächlich nicht mehr als ein diffuses Schemen – huschte er auf das schmale Portal zu und schob sich durch den Spalt. In dem sich daran anschließenden Bogengang preßte er sich an die mit farbigen Mosaiken geschmückte Wand und lauschte. Irgendwo sang ein Priester ein monotones Gebet.
»Erhört mich, ihr
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