In den Städten, in den Tempeln
Sie ein für allemal kalt.« Er rannte mit langen Sätzen an einen Wandschrank, riß eine Schublade auf und holte einen Blitzwerfer aus einem verborgenen Fach. Die Waffe war fast zu groß für Halberstadts schmale Hand. Zitternd richtete sich der Lauf auf Clay. »Ich werde Ihnen Ihr schmutziges Maul stopfen«, kreischte Akim Halberstadt mit hochrotem Gesicht. »Sie sind ein dreckiger Schnüffler; Sie stecken Ihre stinkende Nase in Angelegenheiten, die Sie nichts angehen, Sie ...«
Er unterbrach sich und starrte verwundert auf das sich vor seinen Füßen wellende Ferroplasma. Ausläufer tasteten nach seinen Beinen. »Bei der Heiligen Sphäre!« schrillte seine Stimme, dann dreht er sich um und ergriff die Flucht vor den Nachstellungen der grauen Substanz. Eine andere Tür öffnete sich, und der Konzilsselige sprang in einen dunklen Korridor hinein.
Clay berührte den Gürtel und aktivierte den Elektronischen Schlüssel. Es knisterte. Die trüben Feldlinien des Ergpanzers fielen in sich zusammen.
Er lief sofort los. Die Dunkelheit des Korridors umfing ihn, und in der Ferne vernahm er die hastenden Schritte Akim Halberstadts. Das Ferroplasma rührte sich nun überall. Es registrierte die aggressiven Ausstrahlungen gleich zweier Hirne, und entsprechend heftiger fiel die Reaktion aus. Clay setzte über sich im Boden bildende Buckel hinweg und wich tentakelartigen Armen aus, die nach seiner Taille greifen wollten. Einige Dutzend Meter vor ihm heulte der verrückte Konzilsselige. Der Korridor beschrieb mehrere Kurven, und einmal ging es eine steile Treppe hinauf. Von oben sickerte Lichtschein herab. Das Holz der Stufen knarrte, und im Ferroplasma ächzte es leise, als Clay die Treppe hinaufstürmte und schrie: »Ich kriege dich, Halberstadt. Ich erwische dich. Und dann geht es dir an den Kragen!«
Er warf sich durch die Tür und fand sich in einer Halle wieder, die beinahe ebenso groß war wie der Zentralsaal des Tempels. Hier war die Decke nicht geschmückt oder in ein künstliches Firmament verwandelt worden, sondern bestand aus nacktem Fels, an dem Hunderte oder Tausende von Phosphoreszenzleuchten glühten. Sie warfen einen grünlichen Schein auf die langen Reihen sargähnlicher Behälter, die an den Wänden aufgestapelt waren. Clay drehte sich um die eigene Achse und sah, daß Halberstadt auf der anderen Seite des Saals durch eine Tür verschwand. Aus einem ersten Impuls heraus wollte er ihm nachsetzen, dann jedoch verdrängte er alle Gedanken an den Konzilsseligen und schritt auf die Behälter zu. Sie glichen eiförmigen Kokons, und hinter den trüben Hartplastscheiben waren regungslose Körper zu erkennen, Männer und Frauen, manchmal sogar Jugendliche und Kinder. Die Stasisfelder im Innern der Behälter konservierten Körper, die sonst längst dem Zerfall anheimgefallen wären.
Tote. Hunderte. Tausende. Vielleicht sogar Zehntausende. Clay wanderte mit blassem Gesicht an den Särgen vorbei, und sein Schritt beschleunigte sich.
»Shereen?« rief er. »Shereen!«
In dieser Halle waren all jene aufgebahrt, die Johannitus Edmond de Herbignac geläutert hatte: Gläubige, die darauf gehofft hatten, ihre Seelen fänden Zugang zur Energetensphäre, stiegen empor zu einem Reich immerwährender Freude und Ewigen Wohlbehagens, ohne Sorgen, ohne Schmerzen, ohne jenen »Schmutz«, den der Hyperprotektor so verdammte. Schließlich lief Clay an den Behältern entlang und hörte auf, die Leichen zu zählen. Eisiger Frost stieg in ihm empor, wenn er eine tote junge Frau entdeckte, die Shereen ähnlich sah. Und dann, irgendwann, schlug er die Hände vors Gesicht und sank zu Boden. Eine ganze Weile blieb er so liegen, dann sprang er mit einem Ruck auf die Beine, stürmte auf die Stasiskäfige zu und hämmerte mit beiden Fäusten auf das Hartplast. Tränen quollen aus seinen Augenwinkeln und zogen salzige Spuren über seine Wangen. Seine Lippen bebten; der Vulkan in ihm war ausgebrochen, und die Eruption schleuderte lavaheißen Haß empor.
Plötzlich gab der Boden unter seinen Füßen nach, und Clay fiel. Er klammerte sich irgendwo fest und spürte, wie sich sein Halt bewegte und über seine Hände stülpte. Das Ferroplasma hatte eine Mulde im Boden geschaffen und saugte ihn auf. Er kämpfte dagegen an, stemmte sich der gummiartigen Substanz mit aller Kraft entgegen, doch er war wie in einem Sumpf gefangen.
Bald darauf fühlte er seine Beine nicht mehr, und eine prickelnde und brennende Müdigkeit breitete sich in ihm aus. Er
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