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In den Städten, in den Tempeln

In den Städten, in den Tempeln

Titel: In den Städten, in den Tempeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Horst & Brandhorst Pukallus
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Datenbanken, Hausdurchsuchungen und dergleichen.« Der Sozialkoordinator winkte ab. »Aber soweit sind wir noch nicht, Mr. Dalmistro. Sie sind sehr unüberlegt vorgegangen. Sie hätten wenigstens zuvor unsere Meinung erfragen sollen.«
    »Ich bin gerne bereit, sie mir nachträglich anzuhören.«
    »Ja, aber jetzt ist es auch für Sie zu spät, es sich anders zu überlegen.«
    »Wenn wir den guten Ruf der Venussiedlungen einmal außer acht lassen, wogegen richten Ihre Bedenken sich ansonsten?«
    Yama Jambavat ließ ihn auf die Antwort warten; er horchte in sich hinein, die Lider halb herabgesunken. Der rote Stein an seinem Turban glomm wie eine äußere Manifestation des Dritten Auges.
    »Obwohl meine Sorge – so wie es sich auch bei unserer verehrten Sphärenschwimmerin verhält – vornehmlich Ihrer persönlichen Sicherheit gilt, Mr. Dalmistro«, erklärte der Sozialkoordinator schließlich bedächtig, »ist es eine heikle Aufgabe, Ihnen zu verdeutlichen, was sie verursacht. Mir liegt nicht daran, Sie zu beleidigen. Lassen Sie uns einmal davon ausgehen, daß Ihnen gewisse Unterschiede im Denken der Terris und der Venusier aufgefallen sind.«
    Clay nickte ungeduldig. »Mit der Zeit«, sagte er ironisch, »waren sie nicht mehr zu übersehen.«
    »Bei uns Venusiern hat die präventive Wirkung des Ferroplasmas eine tendenzielle Degeneration des Aggressionsverhaltens ausgelöst. Ich will nicht behaupten, daß die Aggression völlig aus unserem Leben verschwindet. Die Psychologie kennt positive Arten von Aggression, die sich in nützlichen persönlichen und gesellschaftlichen Tätigkeiten niederschlagen. Ich spreche nur von dem Effekt, daß Gewaltaggressionen in sublimere Formen kanalisiert werden. Das Ferroplasma und Sankt Damokles sind auf ihre mehr oder weniger instinktiv-partizipatorische Weise der Perzeption mit unseren psychischen Schwingungen vertraut. Sie jedoch, Mr. Dalmistro, haben Ihr ganzes Leben auf der Erde zugebracht, unter Verhältnissen, die erheblich vom Dasein in unseren Lokationen abweichen. Ihre psychische Struktur ...« Jambavat zögerte und las aufmerksam im Gesicht seines Gegenübers.
    »Nur heraus damit«, ermunterte Clay ihn. Das ganze Gerede langweilte ihn immer mehr.
    »Um es kurz zu machen, Comptroller, ich weiß nicht, wie Sankt Damokles auf die – entschuldigen Sie! – ungewohnt cholerischen Vibrationen Ihres Bewußtseins reagieren wird. Meine Befürchtung geht dahin, daß Sankt Damokles, sobald er mit de Fumure, de Herbignac und Ihnen konfrontiert wird, sozusagen ein summarisches Urteil fällt. Wir wissen so gut wie nichts über sein Differenzierungsvermögen. Es kann sein, daß es ausgeprägt ist, vielleicht jedoch ist es zu gering für das, was Sie vorhaben. Präzedenzfälle mit Terris sind in der Sankt-Damokles-Justiz nie vorgekommen.«
    Clay lächelte matt. »Sagen Sie mal, Koordinator – habe ich je irgendwie zu verstehen gegeben, ich sei nicht bereit, Risiken einzugehen?«
    Jambavat schwieg. Seine Miene war ausdruckslos. Zuletzt schüttelte er knapp den Kopf.
    »Erst vor ein paar Minuten«, fügte Clay hinzu, »haben Sie große Töne darüber gespuckt, daß ein Mensch tun müsse, was er aufgrund eigener Entscheidung für richtig hält. Mein Entschluß steht fest. Ich bin das Risiko zu tragen bereit. Ich war willens, es auf mich zu nehmen, bevor ich es in vollem Umfang gekannt habe. Warum bestehen Sie trotzdem darauf, mir in meine Absichten hineinzureden?« Mit unnachsichtig festem Blick sah er den Sozialkoordinator an.
    Für eine ganze Weile gab Jambavat keine Antwort. Endlich kam er hinter seinem Echtholz-Schreibtisch hervor und trat näher. »Ich sehe, mir ist der Fehler unterlaufen, Sie zu unterschätzen, Mr. Dalmistro«, sagte er in einem Tonfall, der einander widerstrebende Empfindungen zum Ausdruck brachte. »Ich habe versucht, in Ihrem Interesse so wie Sie zu denken, dabei aber nicht bemerkt, daß Sie mittlerweile lernen, so wie ich zu denken.« Er drückte Clays Handgelenk. »Ich wünsche Ihnen viel Glück, Comptroller.«
    Clay atmete auf. Zum ersten Mal fühlte er sich wirklich frei in seinem Handeln. Wenn er nun an eine Aufklärung des Falles dachte, galt sein nächster Gedanke nicht mehr der Höherstufung seines Allgemeinwirtschaftlichen Nützlichkeitsindex; wenn er vor seinem geistigen Auge das Feixen de Fumures, Halberstadts oder de Herbignacs sah, erinnerte er sich nicht mehr zwangsläufig an Shereen und das an ihr begangene Verbrechen; hier stand eine Sache bevor,

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