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In den Trümmern des Himmelsystems

Titel: In den Trümmern des Himmelsystems Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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eingeklemmt. Sie sah, wie er nach dem Kabel griff, sich mit den Füßen abstemmte und zog – „Abdhiamal! Aufhören, aufhören!“ – , sah wie das Kabel freikam… sah, wie die losgelösten Tanks unter ihr aufeinander zuschwebten und das Kabel sich wie eine zornige Schlange zu ihr heraufkräuselte. Sie wich verzweifelt zurück, wußte… wußte…
    „Clewell!“ Ihr Gesicht prallte in einer grellen Korona gegen das Glas des Helms, als das Kabel sie an der Brust traf und sie hinaus und weg vom Schiff schleuderte. Sie rang nach Atem, Blut war in ihrem Mund, ihre Lungen schmerzten stechend, sie sah das Schiff wie ein Feuerrad aus ihrem Blickfeld verschwinden, Schwärze, geschmolzenes Silber, Schwärze…
    Sie suchte nach dem Auslöser ihrer Führungsrakete, aber ihre Hände waren leer. Und sie fiel.
    Nein…
Bertha begann zu schreien.
    Als er die Stimme des Kapitäns hörte, die ihm befahl aufzuhören, war das Kabel bereits gelöst. Er ließ sich zurückfallen und sah überrascht auf, sah die gelösten Tanks, sah das Seil, das sie wie eine Peitsche wegschlug, sah ihre Führungsrakete davonschweben, ein greller Lichtpunkt. „O mein Gott…“ Er erkannte, was er getan hatte, hörte die Schreie von Bird Alyn und Shadow Jack, seine eigenen, aber keinen Laut von Bertha Torgussen. Er winkte die anderen zurück, als er ihr in die Nacht folgte.
    Das alles verdrängende Gefühl der Isolation raubte ihm den Atem und erfüllte die schwarze Wüste wie Sand, der an ihm zerrte und ihn zurückhielt… wie die Isolation seiner eigenen Taten ihn sein Leben lang von der Wahrheit abgeschnitten hatte. Er näherte sich ihrer sich überschlagenden Gestalt langsam, Zentimeter um Zentimeter… in Gedanken sah er einen zerrissenen Anzug, eine erstarrte, gefrorene Gestalt, ihr bleiches, anklagendes Gesicht, das ihn noch im Tod verfluchte und anklagte wegen der Last seiner vergeudeten Jahre. Und doch wünschte er sich sehnlicher als alles bisher im Leben, den Abgrund zwischen ihnen schließen zu können, um zu erkennen, daß es noch nicht zu spät war…
    Und nach einer Zeit, die ihm wie eine Ewigkeit vorkam, umklammerte seine suchende Hand einen Knöchel. Er zog sie an sich und benutzte seine Führungseinheit, um ihren Fall zu stoppen. Er konnte schließlich ihren Helm mit den Händen umklammern, fühlte sie gegen sich gepreßt, während er hinter der rotverschmierten Scheibe nach einem Blick von ihr suchte.
    „Bertha… Bertha… Bertha, ist mit dir alles in Ordnung?“ wiederholte er immer wieder mit wilder Erleichterung.
    Ihr schattenhaftes Gesicht beugte sich nach vorn und starrte heraus, ihr Kinn preßte den Lautsprecherknopf. „Eric… oh, Eric.“ Er hörte sie schluchzen. „Laß mich nicht los… ich falle… nicht loslassen…“ Ihre Arme krallten sich konvulsivisch an ihm fest, dann stellte die Stille sich wieder zwischen sie. Er streichelte das verschmierte Glas. „Das werde ich nicht…alles ist in Ordnung… ich werde dich nicht loslassen.“ Die Ebene der diskanischen Ringe blendete ihn mit ihrer strahlenden Pracht, unnahbar und kalt wie der Tod, er wandte sich ab und startete durch die Sandwüste der Nacht zu dem kaum mehr sichtbaren Schiff zurück. Sie bewahrte Funkstille, und er suchte nicht mehr nach ihrem Gesicht, das hinter der blutverschmierten Scheibe kaum zu erkennen war. Er gewährte ihr das Alleinsein mit ihrem Kummer und fühlte die Anwesenheit von fünf menschlichen Wesen, die sie begleiteten. Bis er schließlich hörte, wie sie seinen Namen nannte, ihm dankte und wieder seinen Namen rief…
    „Was ist geschehen?“
    „Geht es ihr gut?“
    „Bertha, ist mit dir alles in Ordnung?“
    Die Stimmen von Shadow Jack und Bird Alyn zeterten in seinem Helm, als er wieder bei ihnen war, ihre verborgenen Gesichter wandten sich Bertha zu, Handschuhe griffen nach ihr.
    „Sie ist verletzt. Helft mir, sie hineinzubringen.“ Sie wehrte sich nicht gegen seinen Griff, als er sie in die Luftschleuse zog.
    Als sie im Kontrollraum ankamen, hatte sie ihre Hände immer noch fest um seinen Anzug geklammert. Er sah zur Konsole, suchte Welkin und bemerkte plötzlich, daß sich nichts bewegte. „Welkin?“ Er sah eine bewegungslose Hand im Kommandosessel. Seine Kehle war wie zugeschnürt.
    Bertha hob wie lauschend den Kopf, konnte aber nicht antworten. Sie löste ihren Griff und stieß sich von ihm weg. „Pappy?“ Ihre Stimme zitterte, sie krümmte sich in der Luft, die Hände hatte sie gegen den Magen gepreßt. „Pappy…

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