In den Waeldern des Nordens - V3
Hooniahs Decken!«
Ein zweiter Stein verwundete ihn an der Stirn, ein dritter flog an seinem Kopfe vorbei, das große Blutgeschrei ertönte, und überall suchten die Leute auf dem Boden nach Wurfgeschossen. Er wankte und sank halb zusammen.
»Es war nur ein Scherz! Nur ein Scherz!« schrie er. »Ich tat es nur zum Spaß!«
»Wo hast du sie versteckt?« Scundoos gellende scharfe Stimme durchschnitt den Lärm wie ein Messer.
»In dem großen Fellpacken, der unter dem Dachbalken in meinem Hause hängt«, lautete die Antwort. »Aber es war nur Scherz, sage ich, nur...«
Scundoo nickte, und es wurde dunkel von fliegenden Steinen. Simes Frau weinte schweigend, den Kopf auf den Knien, aber sein kleiner Knabe warf wie die andern unter Schreien und Lachen Steine. Hooniah kam mit den kostbaren Decken angewatschelt. Scundoo hielt sie an.
»Wir sind arme Leute und besitzen nur wenig«, jammerte sie. »Sei daher nicht zu hart gegen uns, o Scundoo.«
Das Volk trat von dem schwankenden Steinhaufen zurück, den es errichtet hatte, und sah zu.
»Nein, das ist nie meine Art gewesen, gute Hooniah«, antwortete Scundoo und streckte die Hand nach den Decken aus. »Zum Beweise, daß ich nicht hart bin, will ich mich mit einigen von diesen begnügen. – Bin ich nicht weise, meine Kinder?« fragte er.
»Wahrlich, du bist weise, o Scundoo!« riefen sie einstimmig.
Und er ging ins Dunkel, die Decken um sich geschlagen und den schläfrig nickenden Jelchs unter dem Arm.
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Die Männer des Sonnenlandes
Mandell ist ein unbekanntes Dorf am Gestade des Polarmeeres. Es ist nicht groß, und seine Bewohner sind friedlich, noch friedlicher als die umwohnenden Stämme. Es wohnen in Mandell wenige Männer und viele Frauen. Dies ist der Grund für die Ausübung einer gesunden und notwendigen Vielweiberei. Die Frauen setzen mit Eifer Kinder in die Welt, und die Geburt eines Knaben wird mit allgemeinem Jubel begrüßt. Und dann lebt Aab-Waak dort, dessen Kopf stets auf der einen Schulter ruht, als wäre sein Hals einmal müde geworden und hätte sich dann für immer geweigert, seine gewohnte Pflicht zu tun.
Die Ursache zu alledem – Friedlichkeit, Vielweiberei und Aab-Waaks müdem Hals – liegt Jahre zurück, in der Zeit, da der Schoner »Search« in der Mandelbucht vor Anker ging und Tyee, der Häuptling, einen Plan schmiedete, wie der Stamm plötzlich zu Reichtum gelangen solle. Noch heute erinnert sich das Volk in Mandell dessen, was geschah, und erzählt es mit gedämpfter Stimme, dieses Volk, das mit den westlich davon lebenden »Hungrigen« verwandt ist. Die Kinder rücken enger zusammen, wenn die Geschichte erzählt wird, und wundern sich, klug wie sie sind, über die Dummheit derer, die ihre Eltern hätten sein können, wenn sie nicht die Männer des Sonnenlandes herausgefordert und ein bitteres Ende gefunden hätten.
Es begann damit, daß sechs Mann von der »Search« mit schwerer Ausrüstung an Land kamen und sich in Negaahs Iglu einquartierten, als gedächten sie, sich hier häuslich niederzulassen. Sie bezahlten zwar recht gut für die Unterkunft mit Mehl und Zucker, aber Negaah grämte sich sehr, weil Mesahchie, seine Tochter, ihr Schicksal gewählt hatte und Nahrung und Decke mit Bill, dem Anführer der weißen Männer, teilte.
»Sie ist ihren Preis wert«, klagte Negaah der Versammlung um das Beratungsfeuer, als die sechs weißen Männer eingeschlafen waren. »Sie ist ihren Preis wert, denn wir haben mehr Männer als Frauen, und die Männer bieten hoch. Der Jäger Ounenk bot mir einen neuen Kajak und eine Büchse, die er bei den Hungrigen erstanden hatte. Das wurde mir geboten, und seht, nun ist sie fort, und ich habe nichts bekommen.«
»Ich bot auch auf Mesahchie«, brummte eine Stimme in nicht allzu mißmutigem Tone, und Peelos breites, freundliches Gesicht zeigte sich einen Augenblick im Lichtschein.
»Du auch«, bestätigte Negaah. »Und andere ebenfalls. Warum ist eine solche Unruhe über den Männern des Sonnenlandes?« fragte er recht verdrießlich. »Warum bleiben sie denn nicht zu Hause? Das Schneevolk wandert ja auch nicht ins Sonnenland.«
»Frag sie lieber, warum sie hergekommen sind«, erklang eine Stimme aus der Dunkelheit, und Aab-Waak drängte sich in die erste Reihe vor.
»Ja! Warum sind sie gekommen?« riefen viele Stimmen, und Aab-Waak gebot mit einer Handbewegung Schweigen.
»Männer graben nicht ohne Grund in der Erde«, begann er. »Ich weiß das noch von den Walleuten, die auch aus dem
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