In den Waeldern des Nordens - V3
viel von den Männern des Sonnenlandes gesehen und hatten keine Lust, noch mehr zu sehen. Die ganze Zeit hindurch war die Luft von dem Pfeifen und Klatschen der Kugeln erfüllt, und die ganze Zeit hindurch wuchs die Verlustliste. Im goldenen Morgengrauen ertönte der schwache, ferne Knall einer Büchse, und eine Frau streckte getroffen am fernen Rande des Dorfes die Hände hoch. In der Mittagshitze hörten die Männer in den Gräben das gellende Pfeifen und wußten, daß ihr Tod geflogen kam, und im grauen Abendschein spritzte der Staub in kleinen Wölkchen bei dem schwachen Feuer auf. Und durch die Nächte klang das langgezogene, jammernde »Wa-hoo-ha-a, wa-hoo-ha-a!« der trauernden Frauen.
Wie Tyee vorausgesagt hatte, kam es schließlich so weit, daß der Hunger die Männer des Sonnenlandes packte. Und während eines zeitigen Herbststurmes kroch einer von ihnen in der Dunkelheit in die Gräben und stahl eine Menge Stockfische. Aber er konnte nicht wieder zurückkommen, und die Sonne fand ihn, wie er sich vergebens im Dorfe zu verstecken suchte. So kämpfte er denn den großen Kampf ganz allein in einem engen Kreis des Mandellvolkes, erschoß vier mit seinem Revolver, und ehe sie ihn ergreifen und foltern konnten, kehrte er die Waffe gegen sich selber und starb.
Das warf Schwermut über das Volk. Oloof stellte die Frage: »Wenn nur ein Mann sich so kühn verteidigt, ehe er stirbt, was werden dann die drei tun, die noch übrig sind?«
Dann stellte Mesahchie sich auf die Barrikade und rief die Namen dreier Hunde, die in die Nähe gekommen waren. Das war Fleisch und Leben – und das schob den Tag der Abrechnung hinaus und goß Verzweiflung in die Herzen des Mandellvolkes. Und die Flüche eines ganzen Geschlechtes wurden über Mesahchies Haupt ausgeschüttet.
Die Tage schleppten sich hin. Die Sonne eilte gen Süden, die Nächte wurden immer länger, und es kam ein Hauch von Frost in die Luft. Und immer noch hielten die Männer des Sonnenlandes ihren Graben. Unter diesem endlosen Druck sank der Mut, und Tyee grübelte tief und ernsthaft. Dann erließ er die Botschaft, daß alle Felle und Häute im ganzen Stamme gesammelt werden sollten. Die ließ er zu großen Rollen wickeln und legte hinter jede Rolle einen Mann.
Als der Befehl gegeben wurde, war der kurze Tag beinahe verstrichen, und es war eine langwierige Arbeit, die großen Ballen Fuß für Fuß vorwärts zu rollen. Die Kugeln der Männer des Sonnenlandes klatschten und schlugen in sie, ohne sie zu durchdringen, und die Männer heulten vor Begeisterung. Aber die Dunkelheit brach herein, und Tyee, der jetzt seines Erfolges sicher war, ließ die Ballen in die Gräben zurückholen.
Am nächsten Morgen begann das Vorrücken im Ernst, während im Graben der Männer des Sonnenlandes ein unheimliches Schweigen herrschte. Anfangs rückten die Ballen sich langsam mit weiten Zwischenräumen näher, während der Kreis sich verengerte. In einer Entfernung von hundert Ellen waren sie einander ganz nahe gekommen, so daß Tyees Befehl, anzuhalten, flüsternd von einem Flügel zum andern lief. Der Graben gab kein Lebenszeichen von sich. Sie warteten lange und gespannt, aber nichts regte sich. Das Vorrücken begann wieder, und das Manöver wiederholte sich in einem Abstand von fünfzig Ellen. Immer noch kein Zeichen, kein Laut. Tyee schüttelte den Kopf, und selbst Aab-Waak hegte Zweifel. Aber wieder wurde Befehl zum Vorrücken gegeben, und sie rückten vor, bis Ballen neben Ballen lag und eine feste Schanze aus Fellen und Häuten sich von der Klippe rings um den Graben wieder bis zur Klippe erstreckte. Tyee blickte sich um und sah, wie Frauen und Kinder sich wie dunkle Schatten in den verlassenen Gräben scharten. Er sah vorwärts nach dem schweigenden Graben. Die Männer bewegten sich nervös, und er ließ einen um den andern Ballen vorrücken. Diese neue Linie bewegte sich vorwärts, bis wieder wie zuvor Ballen an Ballen stieß. Dann schob Aab-Waak aus eigenem Antriebe einen Ballen allein vor. Als er gegen die Barrikade stieß, wartete er lange. Dann warf er Steine in den Graben hinüber, bekam aber keine Antwort, und schließlich erhob er sich mit großer Vorsicht und guckte hinunter. Ein Teppich von leeren Patronenhülsen, einige reingenagte Hundeknochen und eine sumpfige Stelle, wo das Wasser aus einer Felsspalte herabträufelte, begegneten seinem Blick. Das war alles. Die Männer des Sonnenlandes waren weg.
Ein Murmeln von Hexerei und unbestimmte Klagen ertönten,
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