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In den Waeldern des Nordens - V3

Titel: In den Waeldern des Nordens - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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und düstere Blicke wurden gewechselt, die Tyee unheimliche Dinge prophezeiten, die noch geschehen konnten, und er atmete erleichtert auf, als Aab-Waak den Spuren am Fuße der Klippe folgte.
    »Die Höhle!« rief Tyee. »Sie sahen meine Weisheit mit den Fellballen voraus und flohen in die Höhle!« Die Klippe war von einem Labyrinth unterirdischer Gänge durchbohrt, die in der Mitte, wo der Graben gegen die Felswand stieß, zusammenliefen. Dorthin folgten die Männer des Stammes Aab-Waak unter vielen Ausrufen, und als sie die Stelle erreichten, konnten sie deutlich sehen, daß die Männer des Sonnenlandes in die einige zwanzig Fuß hohe Mündung geklettert waren.
    »Jetzt ist es geschehen«, sagte Tyee und rieb sich die Hände. »Jetzt gebiete ich, daß alle sich freuen sollen, denn jetzt sind sie in der Falle, diese Männer des Sonnenlandes – in der Falle. Die jungen Leute sollen hinaufklettern und den Eingang der Höhle mit Steinen füllen, so daß Bill und seine Brüder und Mesahchie vom Hunger gequält werden, bis sie zu Schatten werden und unter Fluchen in Stille und Finsternis sterben.«
    Rufe, die Jubel und Erleichterung ausdrückten, begrüßten diese Worte, und Howgah, der letzte vom Stamme der Hungrigen, kletterte den steinigen Hang hinauf und kauerte sich am Rande der Öffnung zusammen. Aber im selben Augenblick ertönte ein scharfer Knall, dann noch einer, während er sich verzweifelt an den glatten Felsrand klammerte. Mit widerstrebender Schwäche ließ er los und stürzte zu Tyees Füßen nieder, zitterte einen Augenblick wie ein riesiger Gallertklumpen und lag dann still da.
    »Wie konnte ich wissen, daß sie so große Kämpfer seien und sich nicht fürchteten?« fragte Tyee unter dem Drange, sich zu verteidigen, bei der Erinnerung an die düsteren Blicke und die unbestimmten Klagen.
    »Wir waren viele und glücklich«, erklärte einer der Männer geradezu. Ein anderer ließ die lüsternen Finger mit seinem Speere spielen.
    Aber Oloof gebot ihnen Schweigen. »Hört, meine Brüder! Es gibt einen andern Weg! Als Knabe fand ich ihn zufällig eines Tages, als ich oben auf dem Hange spielte. Er ist von den Felsen verborgen, und niemand kommt dorthin. Daher ist er ein Geheimnis, und kein Mensch kennt ihn. Er ist sehr schmal, man kriecht ein weites Stück auf dem Bauche, und dann ist man in der Höhle. Heute nacht wollen wir geräuschlos hineinkriechen und die Männer des Sonnenlandes von hinten überraschen. Und morgen wird Friede sein, und nie wieder werden wir in den kommenden Jahren mit Männern des Sonnenlandes kämpfen.«
    »Nie mehr!« tönte es im Chor von den müden Männern. »Nie mehr!« Und Tyee stimmte mit ein. Am Abend sammelte sich die Schar von Frauen und Kindern um den bekannten Eingang der Höhle, die Erinnerung an ihre Toten im Herzen und Steine, Speere und Messer in den Händen. Die mehr als zwanzig Fuß zur Erde konnte keiner der Männer des Sonnenlandes hoffen, lebend hinunterzugelangen. Im Dorfe blieben nur die Verwundeten zurück, während alle gesunden und beweglichen Männer – es waren noch dreißig – Oloof nach dem heimlichen Zugang folgten. Es waren hundert Fuß unwegsame Felsen und unsicher aufgehäufte Steine zwischen ihnen und der Erde, und aus Furcht, die Steine durch Hand oder Fuß in Unordnung zu bringen, kroch immer nur ein Mann auf einmal in den Gang. Oloof, der zuerst kam, rief leise den nächsten, daß er kommen solle, und verschwand drinnen. Ein Mann folgte, noch einer, ein dritter und so fort, bis nur Tyee übrig war. Er hörte das Rufen des letzten Mannes, wurde aber von einem plötzlichen Zweifel gepackt und blieb zurück, um nachzudenken. Eine halbe Stunde später schwang er sich zur Öffnung empor und guckte hinein. Er konnte fühlen, wie eng der Gang war, und die Dunkelheit vor ihm wirkte gleichsam massiv. Die Furcht vor dem Raum zwischen den Erdwänden ließ ihn erstarren, und er konnte sich nicht hineinwagen. Alle Toten, von Negaah, dem ersten der Mandeller, bis zu Wawgah, dem letzten der Hungrigen, setzten sich zu ihm. Aber er zog das Unheimliche ihrer Gesellschaft dem Entsetzen vor, das er in dem dichten Dunkel lauern spürte. Er hatte lange dort gesessen, als etwas Weiches und Kaltes leise gegen seine Wange flatterte, und er wußte, daß es der erste Winterschnee war, der fiel. Dann kam die schwache Morgendämmerung und hierauf der klare Tag, und dann hörte er einen leisen Kehllaut, ein Schluchzen, das näher kam und deutlicher wurde. Er ließ sich

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