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In der Brandung

In der Brandung

Titel: In der Brandung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianrico Carofiglio
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schreibt er Rezensionen für spezialisierte Musikzeitschriften. Er ist zwar nicht gerade sehr mitteilsam, aber wenn man ihn näher kennt, ist er durchaus sympathisch.«
    »Der Name des Geschäfts ist auch seltsam. König Eidechse. Was bedeutet das?«
    »Das war der Spitzname von Jim Morrison.«
    »Der von den Doors?«
    »Ja. Mögen Sie sie?«
    »Ich kenne mich nicht so gut aus mit Musik. War Light my fire nicht von den Doors?«
    »Ja. Vielleicht kennen Sie auch dieses Lied?« Er pfiff so perfekt, dass es klang wie bei einem elektronischen Instrument.
    »Ich kenne das Stück, aber ich weiß nicht, wie es heißt.«
    » People Are Strange .«
    »Sie pfeifen sehr gut.«
    Der Doktor zuckte die Achseln und deutete ein Lächeln an.
    »Was für Musik mögen Sie gern, Roberto?«
    »Ich kenne mich zu wenig aus. Früher habe ich alles Mögliche gehört, aber jetzt, da Sie mich fragen, könnte ich nicht einmal sagen, welche Musik mir wirklich gefällt. Ich höre schon sehr lange keine mehr. Ich könnte nicht einmal erklären, warum ich diese CD gekauft habe. Wie ich schon sagte, habe ich diese Musik zur Zeit der Geschichte gehört, die ich Ihnen erzähle, aber wenn wir nicht darüber gesprochen hätten, hätte ich die CD vermutlich einfach nach Hause mitgenommen, irgendwohin gelegt und dann vergessen.«
    »Aber jetzt wollen Sie sie anhören?«
    »Ja, das habe ich vor.«
    Der Doktor nickte, als wäre das Thema mit dieser Antwort soweit abgeschlossen, dass man zu etwas anderem übergehen konnte.
    »Wie ist denn die Geschichte mit dem Typen ausgegangen, der Ihnen den Kokainhandel in Kolumbien vorgeschlagen hat?«
    »Wir trafen uns in demselben Lokal wieder, drei Tage später, wie vereinbart. Ich hatte meine Vorgesetzten benachrichtigt, und sie hatten mit Einwilligung der Staatsanwaltschaft beschlossen, die ganze Sache unter Verschluss zu halten. Damals war das ziemlich ungewöhnlich. Wir holten aus den Akten alles heraus, was man über Mario Binetti alias Jaguar in Erfahrung bringen konnte, und als ich ihn zum zweiten Mal traf, wusste ich mehr über ihn als er selbst.«
    Roberto unterbrach sich, um einem Gedankengang zu folgen, der ihm durch den Kopf geschossen war.
    »Ich hatte mich kundig gemacht, und es machte mir Spaß, jedes noch so kleine Detail über die Person, mit der ich zu tun hatte, zu kennen. Leute und Situationen zu studieren interessiert mich vielleicht am allermeisten. Ich will immer perfekt vorbereitet sein und alles über meine Gesprächspartner wissen.«
    »Ich stelle mir vor, dass die Arbeit eines guten Ermittlers vor allem darauf abzielt, die Schwachstellen der Menschen in Erfahrung zu bringen.«
    »So ist es. Alle haben ihre Schwachstellen, man muss nur danach suchen. Es gab einmal einen Mann aus Apulien, der in Mailand untergetaucht war und den wir seit langer Zeit suchten. Wir standen unter Druck; die Staatsanwaltschaft wollte, dass wir ihn fanden, denn sie glaubte, er würde gegen seine Leute aussagen, wenn er nur einmal festgenommen wäre. Was sich übrigens als richtig erwies. Wir waren sicher, dass er in der Gegend war, aber wir konnten ihn nicht lokalisieren. Weder durch abgehörte Telefone noch durch Beschattung seiner Verwandten. Bei einem Gespräch mit einem V-Mann erfuhr ich dann zufällig, dass der Mann eine Schwäche für rohe Miesmuscheln hatte.«
    »Inwiefern?«
    »Er aß sie einfach sehr gern. In Mailand gibt es einen Fischladen von einem Mann aus seiner Gegend – er kam aus einem kleinen Dorf bei Bari –, wo er des Öfteren rohe Muscheln gegessen hatte, bevor er untertauchte. Der V-Mann erwähnte das beiläufig in einem Gespräch, aber bei mir klingelte es, als ich das hörte. Ohne jemandem davon zu erzählen – bis auf meine Kollegen von der Einsatztruppe –, ließ ich den Fischladen überwachen. Zwei Tage später hatten wir ihn.«
    »Ich sollte eigentlich Sie bezahlen, für diese guten Geschichten«, lächelte der Doktor.
    Roberto zuckte die Achseln, wie um zu zeigen, dass das Ganze nicht so wichtig war. Doch in Wirklichkeit genoss er die Bewunderung des Doktors. Sie war etwas Neues für ihn, und sie gefiel ihm gut.
    * * *
    Er freundete sich mit Jaguar an. Das heißt: Jaguar war überzeugt, dass sie Freunde geworden waren. Sie trafen sich mit den Kolumbianern, besprachen Preise und Logistik. Roberto sagte, er kenne in mehreren Häfen sichere Schleusen, dank einer Speditionsfirma sowie befreundeter Zollbeamter, die ihr Gehalt aufbessern wollten. Die Speditionsfirma war extra zu diesem

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