In der Brandung
hätte im Traum immer wieder diesen Satz gesagt: Wir sollten keine Minute mehr verlieren.
Sie fragte mich, was das bedeutete. Weshalb sollten wir keine Minute verlieren? Ich rappelte mich hoch, gähnte und sagte, ich hätte etwas geträumt, aber schon vergessen, worum es ging.
8
Samstagabend hatte sein Freund und Kollege Carella ihn zum Abendessen eingeladen.
Carella war untersetzt, hatte wenig Haare, drei Kinder, eine Frau, mit der er sich mit siebzehn verlobt hatte, und widmete seine Freizeit der Gemeindearbeit in seinem Stadtteil, dem Pigneto. Er gehörte zur Abteilung für Spezialeinsätze und war trotz seiner äußeren Erscheinung – der Schein trügt bekanntlich – ein hervorragender Ermittler.
Roberto und er hatten sich auf der Polizeischule kennengelernt und waren über die Jahre hinweg Freunde geblieben, obwohl sie sehr verschieden waren.
Carella hatte sich Robertos Lage zu Herzen genommen: Er rief ihn mindestens einmal die Woche an und lud ihn einmal im Monat zum Essen ein. Es war unmöglich, diese Einladungen auszuschlagen, ohne den Freund zu kränken, und so unterzog sich Roberto einen Samstagabend im Monat dem Ritual eines Abendessens bei den Carellas. Mit von der Partie waren immer Carellas Frau und zwei der drei Kinder (der Älteste, der schon neunzehn war, ging an diesen Abenden aus und entzog sich auf diese Weise dem Ritual). Die Wohnung roch nach Putzmitteln, das Essen war schlecht – Signora Carellas Spezialgericht war zerkochte Pasta, egal unter welcher Soße sie sich versteckte –, und man sprach über alte Zeiten. Roberto unterhielt sich höflich, ohne zuzuhören, was die anderen sagten oder auch nur, was er selbst sagte, und sehnte den Moment herbei, in dem er gehen konnte, ohne unhöflich zu sein.
Der Abend verlief wie alle anderen. Als sie an der Tür waren und sich gute Nacht wünschten, sagte Carella wie immer zu ihm, dass er fand, er sehe besser aus. Diesmal fügte er jedoch noch etwas hinzu.
»Weißt du, Roberto, in diesen Monaten habe ich immer gesagt, du würdest besser aussehen, du hättest Fortschritte gemacht, und bald wäre alles wie früher. Erinnerst du dich?«
»Natürlich.«
»Also, das war nicht die Wahrheit. Ich sagte das, um dir zu helfen, dir Mut zu machen, aber ich hatte überhaupt nicht den Eindruck, dass irgendetwas besser wurde. Kein bisschen. Du warst immer geistesabwesend. So geistesabwesend, dass ich dich manchmal fragen wollte, was ich gerade gesagt hatte, weil ich sicher war, dass du gar nicht zuhörst.«
Roberto sah ihn mit aufrichtiger Neugier an.
»Heute Abend war es anders.«
»Wie meinst du das?«
»Du warst da. Natürlich nicht immer. Aber zumindest in manchen Momenten warst du da und hattest den gleichen Blick wie früher. Während du in den vergangenen Monaten … na ja, du warst einfach anders, aber heute Abend bin ich richtig froh. Jetzt kann dir sagen, dass es dir besser geht, ohne zu lügen.«
Roberto wusste nicht, was er erwidern sollte, und verstand auch nicht genau, worauf der Freund sich bezog. Für ihn war der Abend nicht anders gewesen als sonst. Er lächelte vielsagend, und Carella lächelte zurück. Wenn die Dinge unklar sind, kommt man ohne Worte besser zurecht.
Er ging wie immer zu Fuß: Wenn er schnell ging, brauchte er ungefähr eine Stunde vom Pigneto bis zu sich nach Hause.
Als er die Piazza Vittorio überquerte, sah er, wie ein Jugendlicher ein Auto aufzubrechen versuchte, das offensichtlich nicht sein eigenes war. Ein paar Meter von Roberto entfernt stand ein anderer Junge Wache. Ohne zu überlegen, ging er zu dem Auto und dem Jungen, der sich an der Autotür zu schaffen machte.
»Was tust du da?«, fragte er und dachte zugleich, dass das eine der dümmsten Fragen seines Lebens war.
Der andere sah ihn überrascht an. Offensichtlich fand auch er die Frage merkwürdig. »Klauen …«, sagte er schließlich wie jemand, der weiß, dass die Situation klar ist und keine weiteren Details erfordert. Roberto konnte nur mühsam ein Lachen unterdrücken. In der Zwischenzeit war auch der andere Junge zu ihnen gestoßen.
»Ich bin nicht im Dienst und auf dem Weg nach Hause, also zwingt mich nicht zu arbeiten. Trollt euch, und wir vergessen die Sache.«
Die beiden wechselten einen Blick, sahen dann Roberto an, beschlossen, lieber nichts zu riskieren, und verschwanden im Dunkel der Nacht.
Am nächsten Tag schien die Sonne. Roberto machte einen langen Fußmarsch bis zum Stadion. Er aß etwas in einer Trattoria in der Nähe und
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