In der Brandung

Titel: In der Brandung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianrico Carofiglio

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aber was sollte die Frage?
    »Wenn Sie eine schnelle Stadtrundfahrt machen wollen, hätte ich einen Vorschlag für Sie.«
    »Welchen Vorschlag?«
    »Eine besondere Art, die Stadt zu sehen.«
    »Und das wäre?«
    »Wir machen eine Spazierfahrt an die Schauplätze, an denen die berühmtesten Filme gedreht wurden. Es sind einige der schönsten Orte von Rom, und auf diese Weise haben wir eine Idee für unsere Fahrt. Ein … wie sagt man … Kriterium. Wir haben ein Kriterium. Was halten Sie davon?«
    Wir haben ein Kriterium. Ein Kriterium haben. Es ist gut, ein Kriterium zu haben. Die Schauplätze von Filmen, mit Kriterium. Das musste doch etwas zu bedeuten haben.
    »Warum nicht?«
    Der Taxifahrer lächelte, richtete sich auf seinem Sitz auf, und als er wieder anfing zu reden, klang seine Stimme anders als vorher.
    »Beginnen wir mit ›Ein Herz und eine Krone‹. Erinnern Sie sich an die Vespa-Fahrt von Gregory Peck und Audrey Hepburn? Eines der Fotos, die auf dem Filmplakat zu sehen sind, ist genau hier aufgenommen, auf der Via dei Fori Imperiali. Allerdings gab es zu jener Zeit dort sehr viel weniger Verkehr.«
    Ein Herz und eine Krone. Die Hepburn. Ein Kriterium. Alle sagen, dass ich der Hepburn ähnlich sehe. Ob diese Dinge zufällig passierten?
    Roberto sagte nichts, und der Taxifahrer spähte in den Rückspiegel.
    »Sie kennen den Film doch?«
    »Ich habe ein paar Ausschnitte gesehen. Einzelne Szenen, aber nicht den ganzen Film.«
    »Mein lieber Herr, so geht es aber nicht. Mein Vater hat da als Statist mitgespielt, und ich war auch am Set, obwohl ich mich nicht erinnern kann, weil ich noch zu klein war. Zu Hause habe ich ein Foto von Papa mit der Hepburn. Die war verdammt schön. Daran erinnern Sie sich aber wenigstens noch?«
    In Wirklichkeit erinnerte er sich nicht besonders gut, weil ihr Gesicht sich mit dem von Emma überschnitt, die der Hepburn angeblich so ähnlich sah. Roberto stellte sich die wenigen Szenen, die er von dem Film kannte, mit Emma als Schauspielerin vor, er erinnerte sich an den Abend vor ein paar Tagen, als hätte er ihn mit Audrey Hepburn verbracht, auch wenn ihr Gesicht ziemlich verschwommen war, kaum erkennbar.
    Zum Taxifahrer sagte er nur, dass er sich natürlich erinnerte. In gewisser Weise stimmte das. Wie so oft war das einfach nur ein Teil der Wahrheit.
    »Wissen Sie, was Gregory Peck während der Dreharbeiten machte?«
    »Was denn?«
    »Er war ein Star, und die Hepburn nur eine junge, unbekannte Schauspielerin. Gregory Pecks Name würde wesentlich größer als ihrer auf den Filmplakaten stehen. Aber nachdem er sie hatte spielen sehen, wollte er, dass ihre Namen gleich groß waren. Er sagte, die Hepburn würde den Oscar gewinnen, und er wolle nicht wie ein Idiot aussehen, wenn er vor der Oscarpreisträgerin stand.«
    »Und? Hat sie den Oscar bekommen?«
    »Aber ja doch. Sie gewann einen Oscar und noch eine ganze Reihe weiterer Preise. Gregory Peck sagte auch, die Monate, die er in Rom verbracht hatte, seien die glücklichsten seiner ganzen Karriere gewesen.«
    Roberto erwiderte nichts, aber der Taxifahrer bemerkte es nicht. Er hatte ausgeholt zu seinem Lieblingsthema, dem Film, und nichts hätte ihn mehr aufhalten können.
    »Das waren andere Zeiten damals. Der Krieg war gerade erst vorbei. Da war so viel Lebenshunger, Ausgelassenheit und Schönheit, wie wir uns das heute nicht mehr vorstellen können. Wir sind trauriger, auch wenn es mehr Wohlstand gibt. Ich bin auch traurig. Aber ich weiß wenigstens, was ich tun muss, wenn ich traurig bin. Ich sehe mir einen dieser großen Filme an, und dann geht es mir wieder gut. Wir lassen übrigens jetzt das Kolosseum rechts hinter uns. Dort oben wurde eine Szene von ›Rendezvous in Rom‹ gedreht, damals durften die Autos dort noch fahren. Sehen Sie jetzt mal nach hinten, sehen Sie das Vittoriano? Merken Sie den optischen Trick, der bewirkt, dass es immer größer aussieht, je weiter wir uns entfernen? Wie am Anfang von ›Nuovo Cinema Paradiso‹, das auch einen Oscar gewonnen hat, erinnern Sie sich? Jetzt sind wir an der Piazza del Popolo, wo die Begegnung zwischen Gassman und Manfredi gedreht wurde, die berühmte Szene aus ›Wir waren so verliebt‹. Bis zum Trevi-Brunnen kann ich mit dem Auto nicht fahren, aber das war ein sehr beliebter Drehort. Die Szene, in der Anita Ekberg in dem Brunnen badet, spielt natürlich hier, aber auch die, in der Audrey Hepburn sich von einem Friseur auf dem Platz davor die Haare abschneiden lässt, und