In der Brandung
die, wo Totò einem Amerikaner den Brunnen verkauft. Die Spanische Treppe, wo Satta Flores die Szene aus ›Panzerkreuzer Potemkin‹ erklärt …«
Die Fahrt dauerte etwa eineinhalb Stunden, und am Ende – nach einem Ausflug ins Coppedé-Viertel, wo Dario Argento »Der Vogel mit den Kristallfedern« gedreht hatte – setzte der alte Taxifahrer Roberto wenige Meter von der Stelle ab, wo er eingestiegen war.
»Danke, mein Herr«, meinte dieser, als er das Geld nahm, »wenn ich doch nur jeden Tag solche Kunden wie Sie hätte.«
21
Als er aus dem Taxi stieg, sah er zu den Fenstern hoch. Das Sprechzimmer des Doktors war noch beleuchtet, bei genauerem Hinsehen schimmerte es bläulich. Offensichtlich brannte nur noch die Schreibtischlampe.
Was tun?, das war jetzt die Frage. Was sollte er dem Doktor an der Gegensprechanlage sagen? Paradoxerweise beunruhigte ihn nicht so sehr, was er getan hatte, wie er aus der Praxis gelaufen war, sondern vor allem der Umstand, keinen neuen Termin zu haben. Und ohne Termin war es schwierig, wenn nicht gar unmöglich, mit dem Doktor zu sprechen. Das war eine Regel, die zwar nie ausdrücklich formuliert worden war, aber doch immer gegolten hatte.
Er konnte hier unten auf ihn warten. Und dann? Entschuldigen Sie vielmals, aber ich habe die Beherrschung verloren. Okay, danke für die Entschuldigung, dann sehen wir uns also nächsten Montag wieder in der Praxis. Jetzt würde ich ganz gern nach Hause gehen. Oder aber: Danke, aber es wäre besser, wenn Sie sich einen anderen Seelendoktor suchen würden, und bitte wenden Sie sich so bald wie möglich an meine Sekretärin, um die letzte Rechnung zu bezahlen.
Da ging plötzlich die Tür auf, und eine indisch oder bengalisch aussehende Frau kam heraus. Sie war sehr damit beschäftigt, vier oder fünf Mülltüten und eine große Reisetasche aus dem Haus zu befördern. Roberto hielt ihr die Tür auf. Sie lächelte, dankte und entfernte sich verblüffend flink.
Roberto sah der Frau nach, als tue er etwas Verbotenes, und betrat den Hauseingang erst, als er sicher war, dass sie ihn nicht beobachtete. Er stieg die Treppen empor bis zur Praxistür und klingelte, ohne zu überlegen.
Der Doktor öffnete die Tür nach dreißig Sekunden, begrüßte ihn mit einem Kopfnicken und forderte ihn auf einzutreten. Roberto blieb auf der Schwelle stehen.
»Es tut mir leid wegen … vorhin.«
»Kommen Sie rein«, wiederholte der Doktor.
Sie gingen ins Sprechzimmer. Der Schreibtisch sah wieder ordentlich aus. Zusätzlich zu den üblichen Gegenständen stand ein Glas mit bräunlichem Inhalt darauf. Der Doktor holte aus einem Schrank hinter sich ein weiteres Glas und eine Flasche ohne Etikett.
»Möchten Sie einen Schluck? Es ist hausgemachter Brandy, den ein Freund von mir brennt.«
Roberto wollte schon ablehnen, sagte dann aber doch ja. Der Doktor goss ein wenig Brandy in Robertos Glas, füllte dann seines auf, als wollte er beide Gläser gleich voll machen, und setzte sich.
»Die Tabletten lassen Sie heute Abend lieber weg.«
»Wenn Sie einverstanden sind, lasse ich sie für immer weg.«
»Ich glaube, dass wir bald so weit sind.« Er trank einen Schluck, und Roberto tat es ihm nach. Der Geschmack des Brandys erinnerte ihn an einen Likör, den er das letzte Mal vor fünfundzwanzig Jahren getrunken hatte, als er beim Militär war.
»Als Sie gegangen sind, rief die Person an, die nach Ihnen kommt, die letzte Sitzung des Tages. Sie sagte ab, und so war mein Arbeitstag plötzlich zu Ende. Wir unterschätzen oft die beruhigende Wirkung der Routine. Und da ich auf einmal nichts zu tun hatte und Sie auf diese Weise gegangen waren …«
»Das tut mir so leid, ich …«
»Bitte entschuldigen Sie sich nicht. Ich sagte: Ich war allein, ohne ein festes Programm für den Rest des Nachmittags, und so kam ich auf die Idee, meinen Sohn anzurufen. Er war nicht erreichbar, wie immer. Er wird mich auch nicht zurückrufen.«
»Ich wusste gar nicht, dass Sie einen Sohn haben.«
»Er ist dreißig. Eigentlich fast schon einunddreißig, in ein paar Tagen hat er Geburtstag. Als er auf die Welt gekommen ist, war ich sechsundzwanzig, vielleicht zu jung, noch nicht reif dafür. Vorausgesetzt, es gibt einen Moment, an dem man reif dafür ist. Er hat sein Studium abgebrochen, und ich habe immer gedacht, dass das gegen mich gerichtet war. Ein Versuch, die Erwartungen zu enttäuschen, die ich in ihn gesetzt hatte. Das ist natürlich eine Interpretation, die viel mit meinem eigenen
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