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In der Falle - Leino, M: In der Falle

In der Falle - Leino, M: In der Falle

Titel: In der Falle - Leino, M: In der Falle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marko Leino
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nach oben schauen, schon gar nicht zu einem Bullen.«
    Viitasalo setzte sich. Es war seltsam, neben Sundström in derselben Zelle zu sitzen, auf demselben Bett. Sie saßen längere Zeit schweigend. Als Viitasalos irgendwann den Blick zum vergitterten Fenster hob, kam es ihm vor, als hätten sie schon fünf Jahre so gesessen. Gemeinsam ihre Strafe abgesessen. Oder war nur er der Gefangene und Sundström der Wärter?
    »Aber du willst natürlich auch was von mir«, hörte er Sundström sagen.
    »Heute sind es genau fünf Jahre, dass wir uns zum ersten Mal begegnet sind.«
    »Du hast die Tage gezählt?« Sundström schmunzelte. »Wolltest du Kaffee und Kuchen spendieren?«
    »Warum hast du mich damals angerufen?«, fragte Viitasalo. »Warum gerade mich? War es ein Zufall?«
    »Ein Zufall? Nein. Ich suche in jeder Kette das schwächste Glied.« Sundström lachte. »Und daran reiße ich dann. Es funktioniert so gut wie immer.«
    »Dann war ich das schwächste Glied im Drogendezernat?«, fragte Viitasalo ungläubig.
    »Willst du behaupten, ich hätte mich geirrt?«, sagte Sundström. »Du hättest dich auch anders entscheiden können, aber dazu hattest du nicht die Kraft. Weißt du, was deine Schwäche ist?«
    »Nein, aber du wirst es mir gleich sagen.«
    »Sag du mir erst, warum du gekommen bist – doch nicht, um über alte Zeiten zu reden.«
    »Nein«, antwortete Viitasalo. »Ich wollte mir dir über die Zukunft sprechen.« Er schloss die Augen und redete weiter, obwohl seine Gedanken unweigerlich zu dem Frühjahr vor fünf Jahren abschweiften. Es kam ihm vor, als wäre es gestern gewesen.

     
    Der anonyme Anruf war auf Viitasalos Handy eingegangen, als er den Feierabend nicht länger hinausschieben konnte. Am Morgen hatten Sari und er den Streit fortgesetzt, den sie am Abend zuvor begonnen hatten: Er hatte ihr wieder den Taschenrechner gezeigt und die Zahlen, die bewiesen, dass sie nie wieder aus den Schulden herauskommen würden. Er hatte Sari beschimpft, und sie war wieder in Tränen ausgebrochen. Alles wie am Abend zuvor.
    »Westhafen Passagierterminal, Ankunftsbereich, 21.00 Uhr«, sagte eine Stimme.
    »Was soll das? Mit wem rede ich?«
    »Komm hin, und komm allein! Ich hab einen Tipp für dich, aber nicht am Telefon. Du kommst und setzt dich auf die Bank, von der aus du nach draußen sehen kannst.«
    »Mit wem rede ich?«
    »Wenn du nicht allein kommst, kannst du die Sache vergessen«, sagte die Stimme. »Ich werde dich sehen.«
    »Und woran erkenne ich dich?«
    »Gar nicht. Ich weiß, wer du bist, das reicht.« Danach war das Gespräch zu Ende. Die Nummer hatte der Anrufer unterdrückt.
    Viitasalo fuhr hauptsächlich deshalb hin, weil es ihn davor bewahrte, nach Hause zu gehen. Er fuhr durch das nieselige Stadtzentrum zum Westhafen, parkte seinen Wagen auf dem Kurzzeitparkplatz und rannte durch den immer stärker werdenden Regen an der Taxischlange vorbei zum Terminal. Er erwartete nichts, als er sich auf die Bank setzte und die Uhr 20.42 Uhr zeigte.
    Die ganze Zeit kamen Leute in den Terminal, die jemanden abholen wollten. Manche schauten auf die Uhr, andere hatten ihr Handy am Ohr. Warum musste bei Sari und ihm alles so kompliziert sein? Wieso wurde bei ihnen nicht alles schon wieder, wie Kaarlo zu sagen pflegte.
    Es wird schon alles wieder. Es war ein gutes Jahr her, dass er es zuletzt von ihm gehört hatte. Da hatte es Kaarlo noch einmal aus seinem Krankenzimmer auf den Hof geschafft. Sie hatten eine geraucht, obwohl Kaarlo schon nicht mehr rauchen konnte. Er hielt nur die Zigarette zwischen den gelben Fingern und ließ sie bis zum Filter herunterbrennen, ein bisschen so, wie er sein Leben gelebt hatte.
    »Ich will noch mein Enkelkind sehen«, hatte er plötzlich gesagt und Viitasalo angesehen. Zum ersten und letzten Mal hatte Viitasalo da Tränen in den Augen seines Schwiegervaters gesehen. »Hoffentlich kapiert es, dass es sich beeilen muss.« Kaarlo hatte auf seine Finger geschaut, in denen die Zigarette dem Ende entgegenqualmte.
    »Du bist ein guter Mann, Juha«, sagte Kaarlo immer noch mit Blick auf die Zigarette, deren rot glühendes Ende eben aufs Pflaster gefallen war. »Sorg gut für Sari und das Kind. Und für Marketta. Versprich’s mir!«
    »Ich versprech’s dir«, hatte Viitasalo geantwortet.
    »Und mach dir keine unnötigen Sorgen. Es wird schon alles wieder«, hatte Kaarlo gesagt.
    Ein staksig gehender Mann mit Brille riss Viitasalo aus seinen Gedanken. Der Mann setzte sich neben ihn und

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