In der Falle - Leino, M: In der Falle
Jungen an, der so hell lachte, dass es in den Ohren kitzelte. Kirsi und Petteri, sagte er in Gedanken und war sich sicher, dass die beiden es zu Hause hörten. Keine Sorge, Papa kommt gleich zurück, sobald das hier vorüber ist, kommt er nach Hause. Das hier ist was anderes, nicht so wie früher immer, überhaupt nicht. Es läuft alles gut. So wird es weitergehen. Alles wird gut. Für immer.
SARI
Zum ersten Mal seit langem erlaube ich mir, glücklich zu sein. Ich muss glücklich sein, dass ich am Leben bin. Alle sind doch am Leben. Und ich will auch nicht mehr sterben, ich will leben. Ich will mit Juha alt werden, ich will sehen, wie Liina ein Teenie wird und dann erwachsen und wie sie ihr eigenes Leben beginnt. Eines Tages werde ich Großmutter sein und Liinas Kinder auf dem Schoß halten. Dann färbe ich mir die Haare auch nicht mehr, dann will ich so alt aussehen, wie ich bin, man soll sehen, dass ich gelebt habe. Und Juha wird genauso grau sein und sich neben mich setzen und in Kindersprache mit Liinas Kindern reden, so wie er es schon mit seiner Tochter gemacht hat, immer ein bisschen verlegen, aber stolz. In letzter Zeit tut er sich aber schon leichter mit Liina. Je älter das Mädchen wird, desto besser kommt er mit ihm klar. Jeden Tag wird es mit unserer Familie ein bisschen besser, ich weiß, das bleibt so, bestimmt, unsere Gefühle füreinander werden immer stärker. Ich selbst werde immer stärker. Alles ist jetzt gut, viel besser als früher. Auch die ganz alltäglichen Dinge können schön und wertvoll sein. Nein, alles ist schön und wertvoll. Mit den ferngesteuerten Wünschen und Sehnsüchten muss Schluss sein. Alles ist hier und jetzt. Das Spülmittel duftet, die Teller geben dumpfe Laute von sich, wenn sie unter Wasser gegen den Boden des Spülbeckens stoßen, und das heiße Wasser bringt meine Haut zum Kribbeln. Von der kribbelnden Haut kommt auch das Gefühl, dass ich immer stärker und immer sicherer werde. Bald sind meine Hände so, wie sie irgendwann in ferner Zukunft sein werden: faltig und weich, liebende Hände, die nur Gutes tun können. Nie mehr etwas Böses, niemandem. Nie wieder werde ich solche Gedanken haben, kein drittes Mal.
Es war eine gute Idee, mit der Hand zu spülen, nur so spüre ich diese Energie, das Staubsaugen und Staubwischen hat nicht gereicht, das Beladen der Spülmaschine wäre zu wenig gewesen. Ich hatte immer von allem zu wenig, das habe ich ehrlich begriffen: Zeit, Gespräche, Liebe, Vertrauen, Zuversicht, Sicherheit. Jetzt, wo ich gesund bin, will ich das alles, ich bin gierig auf Leben. Ich bin aufgewacht und wie neu geboren. Warum um alles in der Welt wollte ich das alles freiwillig aufgeben? Warum um alles in der Welt habe ich es so weit kommen lassen? Mich so gehen lassen? Und wie lange wird es dauern, bis ich Juhas Vertrauen zurückgewonnen habe? Und Liinas Vertrauen? Zum Glück wissen sie nicht alles. Zum Glück kann ich mir jetzt selbst vertrauen. Was ich getan habe und was ich noch tun wollte, war krank, vor allem, was ich noch tun wollte – zum Glück waren es nur Gedanken. Schon dass ich es tun wollte, dass ich das Kissen überhaupt in die Hände nahm, war etwas, was nie hätte geschehen dürfen. Aber es ist geschehen. Und es war schon das zweite Mal. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mir das je verzeihen kann. Natürlich, ich könnte es auf die Krankheit schieben. Aber ich bin anders als meine Mutter, die immer sagt, Menschen irren sich und machen Fehler, und mit den Irrtümern und Fehlern muss man dann leben. Man muss aus ihnen lernen und über sie hinauswachsen, meint sie. Aber kann man das Töten eines anderen Menschen als einen Irrtum oder einen Fehler ansehen? Oder auch nur den Gedanken daran?
»Warum tust du das Geschirr nicht in die Spülmaschine? Und mit wem redest du?«
Liinas Frage lässt mich zusammenzucken. Der Teller, den ich spüle, gleitet mir aus den Fingern und schlägt gegen die Wand des Spülbeckens. Ich habe nicht gehört, dass Liina gekommen ist, aber jetzt steht sie da in ihrer weißen Strumpfhose und dem roten Rollkragenpullover. Sie hat ein Buch in der Hand und starrt mich unter ihrem zu lang gewordenen blonden Pony hervor an.
»Deine Haare müssen geschnitten werden«, sage ich, um irgendetwas zu sagen. »Erinner mich morgen dran!«
»Warum benutzt du nicht die Spülmaschine?«
»Mir war nach Selbermachen.«
»Ist die Maschine kaputt?«
»Nein.«
Nichts ist nämlich mehr kaputt, weder die Spülmaschine noch
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