In der Falle - Leino, M: In der Falle
fixieren.
»Würde ich an deiner Stelle auch nicht, du Pfeife«, sagte Viitasalo.
Sari schwieg, aber Viitasalo sah aus den Augenwinkeln, dass ihre Schultern zitterten. Er schwor sich, dass es keinen Streit geben sollte. Keine Wiederholung von gestern. Er würde sich zusammenreißen. Und kein Nachkarten, nicht einmal eine Anspielung auf das, worüber sie beide nicht sprechen wollten.
»Wenn du nicht krank bist«, hörte er sich trotzdem vorwurfsvoll sagen, »warum geisterst du dann nachts herum?«
»Ich geistere nicht herum«, sagte Sari mit erstickter Stimme.
»Ich bin davon aufgewacht«, sagte Viitasalo.
Sie zeigten schon die Volleyball-Ergebnisse, die vom Basketball waren an ihm vorbeigerauscht.
Sari stellte ihr Glas auf den Tisch. Ihre Hand zitterte dabei.
» Kannst du nicht schlafen?«, fragte Viitasalo versöhnlich.
»Doch«, antwortete Sari und schniefte.
»Aber irgendwas muss doch sein?«
»Ich bin so müde«, flüsterte Sari.
»Kein Wunder, wenn du nicht schläfst. – Geh schlafen«, sagte Viitasalo. »Einmal durchschlafen, und das wird schon wieder.«
Sari antwortete nicht. Auch Viitasalo stellte sein inzwischen leeres Weinglas auf den Tisch.
»Hast du gehört? … Sari?« Er war schlecht in so was. Er überlegte, ob er ihr den Arm um die Schultern legen und sie an sich ziehen sollte, aber er tat es nicht. Sari schaute in ihre Hände, nicht zu ihm.
»Unsere Firma ist schon wieder verkauft worden«, sagte sie.
»Schon wieder? Das letzte Mal war doch erst im Frühjahr«, wunderte sich Viitasalo. »Wer hat sie diesmal gekauft?«
»E-Method«, antwortete Sari.
»Und euch hat man nichts gesagt?«
»Natürlich nicht. Das Komische an der Wissensgesellschaft ist, dass man nur noch mit Gerüchten lebt.«
»Aber es gibt nicht nur Gerüchte? Bei euch, meine ich …«
»Nein. Vor zwei Wochen war die erste Info-Veranstaltung mit den neuen Eigentümern. Es ging um Synergien – also um Entlassungen.«
»Vor zwei Wochen schon? Und warum hast du nichts gesagt?«
»Was hätte ich sagen sollen? Ich weiß ja nichts.«
Daher also ihre Schlafprobleme.
»Und was ist mit eurer Abteilung?«
»Es heißt, die Hälfte muss gehen, mindestens, manche denken, die wollen die ganze Abteilung dichtmachen. Ich halt das nicht mehr lange aus. Wie soll man sich auf die Arbeit konzentrieren, wenn man nicht weiß, ob sie einem demnächst unterm Hintern weggezogen wird. – Das ist der vierte Umbau in drei Jahren.« Sari vergrub das Gesicht in den Händen. »Und wenn sie mich wegschicken …?«
»Du bist doch hochqualifiziert«, versuchte Viitasalo sie zu trösten. »Du findest schon wieder irgendwas.«
Sari ließ die Hände sinken und sah Viitasalo ungläubig an. » Irgendwas ? Was quatschst du da? Ich bin gut in dem, was ich mache. Ich will nicht irgendwas finden, verstehst du? Darum hab ich studiert. Aber dir ist das natürlich wurscht. Hauptsache, ich mache irgendwas , wie?«
»Das hab ich nicht gemeint«, versuchte Viitasalo sie zu beruhigen. »Ich wollte nur sagen, dass es keinen Zweck hat, den Teufel an die Wand zu malen. Noch ist nichts passiert. Und vom Darlehen sind nur noch sechzigtausend übrig, das schaffen wir schon.«
»Darum geht’s doch gar nicht! Meine Arbeit bedeutet mir was, verdammt, begreifst du das nicht?!«
»Doch«, sagte Viitasalo, obwohl er es nicht begriff. Genauer gesagt, hatte er es sich nie wirklich überlegt. Was die Arbeit anging, hatte er mit sich selbst genug zu tun. Saris Job als IT-Spezialistin war irgendwie … eine Selbstverständlichkeit. Er wusste nicht mal genau, was sie machte. Es hatte ihn einfach nie so wahnsinnig interessiert. Er hatte stillgehalten, als Sari nach vier Ehejahren und drei Jahren als Betreuerin für psychisch Kranke zur Internetspezialistin umgeschult hatte, und nur für sich nachgerechnet, wie hoch ihr monatliches Minus wäre. Er hatte geflucht, aber auch das nur im Stillen.
Sari war damals 26. Zwei Jahre hatte die Ausbildung gedauert, und sie hatte auf Anhieb eine Stelle bekommen. Das war jetzt auch schon zehn Jahre her. Und die ganze Zeit war Sari bei derselben Firma geblieben und hatte eine kleine Karriere gemacht. Nur als sie Liina bekommen hatten, war sie das erste Jahr zu Hause geblieben. Nach einem halben Jahr hatte er damals vorgeschlagen, dass sie auch länger zu Hause bleiben könne, aber sie hatte unbedingt schnell wieder arbeiten wollen. Mehr als ein Jahr könne man sich in dem Job nicht leisten, hatte sie ihm erklärt, sonst käme man
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