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In der Falle - Leino, M: In der Falle

In der Falle - Leino, M: In der Falle

Titel: In der Falle - Leino, M: In der Falle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marko Leino
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hinterher nicht mehr mit. Aber das war nicht der wirkliche Grund. Was es war, hatte sich später herausgestellt, als plötzlich unbezahlte Rechnungen auftauchten, eine ganze Menge unbezahlte Rechnungen. Auch darüber hatten sie, nachdem das Problem gelöst war, nie wieder gesprochen. Die Problemlösung war ein überraschender Fußballtotogewinn gewesen. Die Aufklärung der ominösen Geschichte konnte man danach auf sich beruhen lassen. Insbesondere, weil Sari die Arbeit offensichtlich guttat und sie bald wieder so ausgeglichen war wie früher.
    Jetzt erinnerte sich Viitasalo auch daran, dass Sari auf seinen Vorschlag, länger zu Hause zu bleiben, mit einem Gegenvorschlag reagiert hatte: Er könne sich gern als Hausmann versuchen, wenn er finde, dass Liina länger mit einem Elternteil zu Hause aufwachsen solle. Viitasalo hatte gelacht, weil er den Vorschlag für einen Witz gehalten hatte. Aber vielleicht war es gar keiner gewesen. Vielleicht hatte er zu vieles nicht verstanden, was Sari ihm damals sagte. Vielleicht hätte er es ernster nehmen sollen, wenn sie sagte, dass sie durchdrehen würde, wenn sie noch ein Jahr mit den anderen Müttern im Park über das Zahnen, Hautausschläge und die besten Techniken reden musste, mit denen man das Kind zum Rülpsen oder Pupsen brachte. Sie sei einfach schon zu alt, um als nach frisch gebackenem Hefezopf duftende Hausfrau und Mutter auf der Stelle zu treten, erklärte sie ihm. Sie vermisste ihre Arbeitsstelle, und offenbar vermisste man sie dort auch. Auf der anderen Seite hatte sie Probleme mit Liinas Abhängigkeit von ihr und machte sich Vorwürfe, dass sie diese Probleme hatte. Vielleicht kam alles daher, dass man sie beide wegen des Kindes so lange unter Druck gesetzt hatte. Großeltern und Freunde hatten sie regelrecht bedrängt und immer wieder nachgefragt, und als sie schließlich nachgaben, als sie aufhörten zu verhüten und Sari endlich schwanger wurde, waren alle vollkommen aus dem Häuschen. Von ihnen wurde das auch erwartet, aber sie waren es nicht. Viitasalo hatte schnell gespürt, dass es ihnen beiden nicht wirklich gut ging dabei. Vielleicht hätten sie Liina doch früher in die Welt setzen sollen. Wieso hatten sie eigentlich so lange gewartet? Über zehn Jahre waren sie schon verheiratet gewesen. Wer von ihnen beiden hatte den anderen gebremst? Und warum konnte er sich nicht daran erinnern? Ihre seltsame Freudlosigkeit, die Mischung aus Schuld und Liebe, die sie beide verspürten – war das die Erklärung dafür, dass Sari sie am Ende sogar in wirtschaftliche Schwierigkeiten gebracht hatte? Hatte sie es mit Absicht getan, kalkuliert, oder war es nur eine Art Hilferuf gewesen? Vielleicht hätten sie darüber sprechen sollen. Auch darüber, dass Sari zu der Zeit, als die Sache mit den Schulden herauskam, seltsam mechanisch mit Liina umging und die Mutterschaft sichtlich nicht genießen konnte. Aber wer war er, dass er ihr das hätte vorwerfen können? Er hatte zu der Zeit gearbeitet wie ein Berserker. Warum eigentlich? Weil er sich selbst auch schuldig gefühlt hatte, dass er kein guter Vater war? Jedes Mal, wenn Liina weinte, empfand er es wie einen Vorwurf, dass sie schlechte Eltern waren. Das winzige, sich so fremd anfühlende Bündel hätte glücklich sein müssen. Und auf jeden Fall hätten sie glücklicher sein müssen, als sie es waren. Von Anfang an hätten sie die vielbeschworene überbordende Liebe zu ihrem Kind empfinden müssen. Aber die überbordende Liebe war erst später gekommen, viel später. Seitdem war Liina der Mittelpunkt und das Licht ihres Lebens, so wie es sein sollte.
    »Auf jeden Fall«, sagte Viitasalo, »bist du achtunddreißig.«
    »Und?«
    »Nichts und«, sagte Viitasalo. »Ich hab nur laut nachgedacht.«
    »Mit anderen Worten, in den Augen eines Arbeitgebers bin ich eine alte Frau«, sagte Sari und stand vom Sofa auf. »Danke, aber das weiß ich selber.«
    »Das wollte ich damit nicht sagen«, rief Viitasalo Saris sich entfernendem Rücken nach. »Wir schaffen das, egal, was passiert.«
    »Leck mich! Du hast keine Ahnung, wie es in mir aussieht, und es interessiert dich auch nicht, was mit mir passiert!« Saris Stimme kam vom Badezimmer her. Gleich darauf schlug die Tür zu.
    Viitasalo blieb auf dem Sofa sitzen und schenkte sich wieder Wein ein, diesmal fast bis zum Rand. Die Hälfte davon trank er mit einem großen Schluck. Sari hatte recht, er hatte keine Ahnung. Von nichts. Und wieder mal begriff er es zu spät, als dass er sie

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