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In der Falle - Leino, M: In der Falle

In der Falle - Leino, M: In der Falle

Titel: In der Falle - Leino, M: In der Falle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marko Leino
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nicht umbringen willst, dann bringen wir zusätzlich zu deinem Vater auch deine Mutter um. Wenn du auch nur einen Funken Verstand hast, dann begreifst du, dass das ein ganz schlechter Deal für dich wäre. Wenn wir uns nämlich auch noch mit den inneren Angelegenheiten eurer Familie beschäftigen müssen, dann wird noch einmal ein ordentlicher Zuschlag fällig. Dann schuldest du uns zu den zwanzigtausend noch einmal zwanzigtausend, die ich dir für zwei Liquidationen in Rechnung stellen muss. Plus fünftausend Schmutzzulage, dass ich’s nicht vergesse. Kann natürlich sein, dass dir das Geld egal ist. Dann betrachte es von der Gefühlsseite her: Willst du lieber Halbwaise oder Waise sein? Wenn ich dein Schuldenberater wäre, würde ich sagen, dass man dir ein Angebot macht, das du eigentlich nicht ausschlagen kannst.« Turunen hatte seine Rede mit einem hässlichen Lachen geschlossen.
    Vesa hatte eine Weile die Waffe angeschaut und dann seinen Vater. Vater hatte den Blick gehoben, seine Augen waren voller Tränen gewesen, seine Lippen hatten sich lautlos bewegt, und er hatte sachte den Kopf geschüttelt.
    »Ist das nicht eine einfache Wahl?«, war von irgendwo in der Ferne Turunens Stimme gekommen. »Vater oder Vater und Mutter. Überleg’s dir. Dein Vater ist so oder so tot. Aber soll, nur weil du schwach bist, auch deine Mutter sterben? Was deinen Vater betrifft, braucht es nur eine kleine Bewegung des Zeigefingers. Und ob das nun dein Finger oder irgendein anderer ist – was soll’s? Denk auch daran, was für ein Scheißkerl er ist. Ein Scheiß vater ist er in jedem Fall. Was schuldest du ihm? Weißt du, was ich immer sage: Jeder Sohn hat genug von einem Ödipus in sich, dass ihm so was keine Probleme macht. Für mich war es wenigstens so. Ich wusste immer, dass ich meinen Vater eines Tages umbringen würde, die Frage war nur, wie.«
    »Du hast deinen eigenen Vater umgebracht?«, hatte Vesa entsetzt gefragt.
    »Nein. Mir war noch nichts eingefallen, was schmerzhaft genug gewesen wäre, da ist er vor einen Bus gelaufen«, hatte Turunen lächelnd geantwortet. »Du hast es besser. Du brauchst nur abzudrücken. Um ehrlich zu sein, bin ich fast ein bisschen neidisch.«
    Die Waffe in Vesas Hand fühlte sich kalt und schwer an. Er sah seinen Vater immer noch zittern.
    »Schießt du jetzt oder nicht?«
    Turunens Stimme ließ Sohn und Vater zusammenzucken. Vesas Gedanken schweiften ab. Wenn er die Augen schloss, sah er Bilder aus ihrer gemeinsamen Vergangenheit aufblitzen, Bilder, die in schneller Folge auf sein Bewusstsein einstürmten und vor jedem neuen Bild wieder zerflossen. Es war, als blätterte man fieberhaft in einem Album, um das eine Bild zu finden, das man suchte. Auf allen Bildern waren sie zu zweit, nur Vater und Sohn. Und auf allen Bildern lachten sie. Vaters Blick war immer liebevoll, und auf vielen Bildern hatte er schützend den Arm um den Sohn gelegt. Es sind falsche Bilder, dachte Vesa, so war es gerade nicht! Er war seinem Vater nie wichtig gewesen. Oder doch? Hatte er nur alles vergessen? Nein, die Bilder logen. Warum nur musste alles immer schlimmer werden?
    Ich muss nachdenken, überlegte Vesa, während er die Augen wieder öffnete. Er musste ein letztes Mal die Möglichkeiten durchgehen, wie sie den Hals doch noch aus der Schlinge ziehen könnten. Vaters schweißnasser Kopf bebte. Was, wenn ich mich selbst erschieße?, überlegte Vesa.
    »Falls du gerade Pläne machst: In der Waffe ist nur eine Kugel.« Turunens Stimme echote durch die Halle. »Je nachdem, wie Macho heute drauf ist, schaffst du’s vielleicht sogar, auf einen von uns zu schießen. Vielleicht triffst du sogar und knipst einem von uns das Licht aus – von Anfängern hat man schon die tollsten Sachen gehört. Aber danach müssen wir dich leider erschießen. Und danach erschießen wir deinen Vater und deine Mutter. Vielleicht überlegst du’s dir noch mal.«
    »Vesa, tu’s!« Vaters Stimme war kaum zu verstehen.
    »Was hast du gesagt?«, fragte Vesa.
    »Du hast es gehört«, sagte Vater und hob den Kopf. »Ich bin schon tot, so oder so. Kümmer dich um Mutter und dich selbst. Sag Anita, dass ich sie liebe.«
    Vesa sah Vaters Blick, den Nebel in seinen Augen. Vater war in Gedanken schon nicht mehr bei ihnen, auch wenn er Vesa noch ansah und Worte an ihn richtete. Er hatte den Blick eines Mannes, der sich abgefunden hatte. Es war der Blick eines Toten.
    »Erschieß mich!« Es war eine fast stumme Bitte.
    »Ich kann nicht«,

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