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In der Falle - Leino, M: In der Falle

In der Falle - Leino, M: In der Falle

Titel: In der Falle - Leino, M: In der Falle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marko Leino
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Handgelenk unangenehm verbog. Er verzog das Gesicht, hielt aber still. Sari zitterte am ganzen Körper und weinte.
    »Was ist denn?«, flüsterte Viitasalo.
    »Ich hab Angst. Kerttula hat mich für morgen zu sich bestellt«, sagte Sari. Sie war kaum zu verstehen.
    »Kerttula? Ist das euer Abteilungsleiter?«
    »Er ist der Personalchef.«
    Bevor Viitasalo noch etwas sagen konnte, setzte sich Sari auf und stieg aus dem Bett.
    »Wohin gehst du?«
    »Ich kann nicht schlafen«, sagte Sari auf dem Weg zur Schlafzimmertür. Ihre nackten Füße klatschten feucht aufs Parkett. »Ich les noch eine Weile.«
    »Sari?« Viitasalo knipste die Nachttischlampe an.
    »Was?«
    »Damals, bei der Sache mit Liina, da hattest du doch diese Medikamente. Vielleicht solltest du sie dir wieder verschreiben lassen?«
    »Das hier ist was anderes. Außerdem hab ich mir was aus der Apotheke geholt«, antwortete Sari. »Einschlaf- und Durchschlaftabletten. Sie helfen bloß nicht.«
    »Wieso nicht?«, fragte Viitasalo. Er war überrascht, dass Sari von sich aus etwas unternommen hatte. Für ihn war es ein gutes Zeichen.
    »Ich bin zu müde zum Schlafen.«
    Jetzt setzte sich auch Viitasalo auf. Er sah seine Frau, die in der Tür stand, und er sah ihre Verzweiflung. »Und wenn du dir was Stärkeres geben und dich zum Beispiel krankschreiben lassen würdest?«
    Sari drehte sich um, ihre Augen funkelten. »Du hast echt keine Ahnung. Ausgerechnet jetzt? Da würden die mich doch als erste rausschmeißen. Sie nehmen uns alle unter die Lupe. Und jeder belauert jeden, nur um seine eigene Haut zu retten.«
    »Meinst du nicht, dass du ein bisschen übertreibst. Es geht doch bestimmt nicht nur darum, dass Leute abgeschossen werden.«
    »Doch, genau darum geht es! Letzten Montag ist Raisa zu spät gekommen, weil der dämliche Bus eine Panne hatte und sie auf den nächsten warten musste, und weißt du, was Harri gemacht hat: Er ist zu Kerttula gegangen und hat ihm erzählt, dass sie ein paar Minuten über der Gleitzeit war. Mann, begreif doch endlich!«
    Sari ging aus dem Zimmer und zog die Tür hinter sich zu. Viitasalo konnte sich nicht erinnern, von diesen Raisas, Harris und Kerttulas schon mal was gehört zu haben. Hatte Sari nie von ihnen erzählt, oder hatte er nur nicht zugehört?
    »Ich versuch’s ja«, sagte er, aber die geschlossene Tür antwortete nicht.
    Auch Viitasalo war jetzt nicht mehr müde. Seine Gedanken kreisten wieder um Liinas Geburt, um die Zeit danach, um das Jahr, das Sari zu Hause gewesen war. Um das Jahr, über das bei ihnen nicht gesprochen wurde. Es war das Jahr, von dem auch seine Probleme mit Sundström herrührten. Wieder einmal überlegte er, ob es besser gewesen wäre, wenn er sich damals nicht mit ihm eingelassen hätte. Klar, sie wären aus den Schulden nicht herausgekommen, schon das Haus war teuer, und Saris Kaufsucht hätte ihnen den Rest gegeben. Und trotzdem: Wäre es nicht besser gewesen, wenn er als Polizist gehandelt hätte, wie man es von einem Polizisten erwartete? Er wusste es nicht. Für Saris Depressionen konnte niemand etwas, aber deshalb machte das Gesetz noch lange keinen Unterschied zwischen ihm in seiner Zwangslage und Gewohnheitsverbrechern wie Sundström.
    »Scheißleben!«, flüsterte Viitasalo und ließ sich schwer auf den Rücken fallen. Das helle Licht der Nachttischlampe ließ die schlecht verputzte Zimmerdecke wie einen Gletscher aussehen, mit tiefen Rissen und vom Wind zusammengetriebenen Schneewehen. Viitasalo kniff die Augen halb zu und entdeckte einen hungrigen Eisbären in der Zimmerecke. Bald würde das Tier seinen Schweiß riechen und angreifen.
    »Wer von uns ist eigentlich verrückter, ich oder Sari?«, hörte er sich fragen.
    Warum hatte er verrückt gesagt? Hielt er Sari nur wegen ihrer Schlafprobleme wirklich für verrückt ? Hielt er sich selbst für verrückt? Viitasalo fror immer mehr. Alles ging den Bach hinunter, und er konnte nichts dagegen machen. Dann kamen die Kopfschmerzen. Zu viel Wein, zu viel Sauna-Bier. Zu viel von allem.

     
    Vesa machte nicht mal den Versuch zu erraten, was es bedeutete, als einer der Russen nach draußen ging und mit einem zusammengerollten Stück grüner LKW-Plane zurückkam. Er hätte es auch nie erraten. Seitdem waren fünf Minuten vergangen, aber im Vergleich zu ihnen war alles, was er in seinem bisherigen Leben hatte aushalten müssen, nichts gewesen. Gar nichts.
    Inzwischen stand er auf der grünen Plane und schaute auf den Scheitel seines Vaters,

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