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In der Falle - Leino, M: In der Falle

In der Falle - Leino, M: In der Falle

Titel: In der Falle - Leino, M: In der Falle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marko Leino
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flüsterte Vesa.
    »Doch, du kannst«, sagte Vater fest und senkte wieder den Kopf. »Mach es schnell!«
    »Du hast gehört, was dein Vater gesagt hat.« Turunens Stimme kam wie aus einer anderen Welt. »Wenn du auf mich nicht hörst, hör wenigstens auf deinen Vater.«
    In Vesas Welt waren nur noch seine Hand mit der Pistole, Vaters wieder auf die Brust gesunkenes Kinn und dessen schwitzender, dünn behaarter Kopf. Vesa streckte die Hand aus und drückte die Pistole gegen Vaters Schädel. Vater erschauerte, dann holte er tief Luft, seine Schultern hoben sich, und er nickte. Vesa zitterte so sehr, dass er die andere Hand zu Hilfe nehmen musste.
    »Vater, verzeih mir!«, sagte Vesa.
    Dann schloss er die Augen. Er hörte das Rauschen in den Ohren, als ihm das Blut in den Kopf stieg. Er hielt den Atem an und drückte ab. Doch statt eines Knalls hörte er nur ein Knacken. Trotzdem spürte er Vaters Kopf wegsinken. Hatte das Rauschen in seinem Kopf nur den Knall übertönt?
    Erst als Vesa Turunen lachen hörte, machte er die Augen auf. Vater lag neben seinen Füßen auf dem Rücken, die Augen vor Schreck weit aufgerissen. Die Augen sahen ihn an.
    »Du hast mich erschossen«, sagte Vater.
    Danach ging alles ganz schnell, und Vesa ahnte mehr, was geschah, als dass er es sah: Ilja ging neben Vater in die Hocke und verstellte Vesa die Sicht. Auch der Schuss, der dann fiel, war nicht wirklich laut. Da war nur ein trockenes, kurzes Bellen, das für einen Augenblick die Luft zerriss. Dann war es still.
    »Deine Waffe war nicht geladen, Junior«, hörte Vesa Turunen sagen. »Hast du’s auf Video, Macho?«
    »Gestochen scharf«, antwortete Macho.
    »Fedor, sag Ilja, dass er aus dem Bild gehen soll, damit Macho unseren Filmstar noch zusammen mit der Leiche verewigen kann.«
    Fedor übersetzte, und Ilja gehorchte. Vesa drehte sich langsam um und schaute in Machos Richtung. Macho hatte in der einen Hand seine Pistole und in der anderen sein Handy. Er war beim Filmen so konzentriert, dass ihm die Zungenspitze zwischen den Lippen herausschaute. Vesa begriff, was Macho auf dem Display sah: ihn neben seinem erschossenen Vater, die Pistole noch in der Hand.
    »Okay, das reicht. Wenn wir den Anfang noch ein bisschen bearbeiten, wird das oscarreif«, sagte Turunen, als könnte er Vesas Gedanken lesen. »Und? Wie fühlst du dich jetzt?«
    »Ihr wollt mir das anhängen«, sagte Vesa tonlos.
    »Da gibt’s nicht viel anzuhängen. Du hast es getan. Du hast abgedrückt und nicht gewusst, dass das Magazin leer ist. Das macht dich zum Mörder, astrein.«
    »Nein«, sagte Vesa und schüttelte den Kopf. Er konnte noch nicht wieder nach unten schauen, dorthin, wo sein Vater lag. Wenn er es tat, würde Vater ihn nicht mehr mit weit aufgerissenen Augen ansehen. Er würde nichts und niemanden mehr ansehen.
    »Doch«, sagte Turunen, der lächelnd auf Vesa zukam. »Du warst bereit, es zu tun, und du hast es getan. Ilja hat deine Arbeit nur sauber zu Ende gebracht. Du könntest verdammt stolz auf dich sein. Viele bringen ihre Väter nur symbolisch um. Du hast mehr Mumm gehabt.«
    »Und warum habt ihr’s aufgenommen?« Vesa presste die Worte aus sich heraus.
    »Damit du weißt, dass du von jetzt an keine andere Wahl mehr hast, als nach meiner Pfeife zu tanzen«, sagte Turunen und gab Vesa einen Klaps auf die Schulter. »Wenn du jemals das Maul aufmachst, wo und gegenüber wem auch immer, ist das Filmchen schneller auf YouTube, als du den Computer hochfahren kannst. Und weißt du, wo du dann landest?« Turunen zwinkerte ihm zu. »So, und jetzt darfst du deinen Vater begraben. Danach sag ich dir, wie du deine Schulden bei mir abarbeitest und was du deiner Mutter sagst. Aber zuerst: Mein aufrichtiges Beileid, Ödipus!«
    Als die anderen in Gelächter ausbrachen, konnte Vesa nicht mehr. Er drehte sich noch von Vater weg, dann fiel er auf die Knie. Die Waffe löste sich aus seiner Hand und traf mit einem metallischen Scheppern auf dem Betonfußboden auf. Er erbrach in schluckaufähnlichen Wellen, und als die Schleuse erst geöffnet war, kam der stinkende Brei so lange und am Ende so gallebitter, dass Vesa dachte, er müsste sterben.
    »Jetzt steh schon auf! Das Wichtigste hast du ja noch gar nicht erledigt. Ich sagte doch, du musst deinen Vater unter die Erde bringen.«
    Vesa kroch auf allen vieren, und das Wasser strömte ihm aus den Augen. Die Kotze kam ihm aus den Nasenlöchern und aus dem Mund, und er zitterte am ganzen Körper. Es hörte einfach nicht

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