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In der Fremdenlegion (German Edition)

Titel: In der Fremdenlegion (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erwin Rosen
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sondern unanständig, niederträchtig und gewissenlos. Seine Diagnose sei eine infame wissentliche Lüge, und es sei eine Schande, daß solche Leute Autorität besäßen. Ich erinnere mich nicht mehr an all das, was ich damals hinausbrüllte, aber es war ein niedliches Sammelsurium von allerkräftigsten Worten – Insubordination, wie sie im Buch steht. Schließlich endigte mein Wutanfall damit, dass ich sofortige Vorführung beim Regimentskommandeur verlangte und (das muß sehr lächerlich gewesen sein!) damit drohte, mich beim französischen Kriegsminister zu beschweren.
    Der Kapitän hörte mich ruhig an und sagte:
    »Ich glaube, daß man Ihnen unrecht getan hat. Ich werde einen Brief an den Unterarzt schreiben, der Ihnen Arznei geben wird. Von einer Beschwerde beim Regiment rate ich Ihnen ab.« Dann nach einer Pause:
    »Was erwarten Sie denn eigentlich? Was wollen Sie? Wir sind in der Legion. Sie sind Legionär – vergessen Sie das nicht wieder – Legionär!«
    Hätte ich nicht in der absoluten Fassungslosigkeit meiner Wut diese in der Legion unerhörte Sprache gewagt, so würde ich den ominösen Pflock am Wachtzelt wahrscheinlich als todkranker Mann verlassen haben.
    Dank der Opiumpillen des Assistenzarztes konnte ich am nächsten Tag mitmarschieren. freilich unter Aufbietung jedes Funkens von Willenskraft. Unendlich wie die Ewigkeit schien die Zeit zwischen den Kilometersteinen zu sein. Die Hoffnung auf jene fünf Minuten Ruhe am fünften Kilometerstein war die Kraft, die mich vorwärts trieb. Ich zählte meine Schritte, um über dem mechanischen Zählen meine Schmerzen zu vergessen. Hundertzwanzig Schritte bedeuteten hundert Meter: wenn ich zehnmal 120 gezählt hatte, so war ein Kilometer überstanden, der fünfte Teil des Weges zur Ruhe.
    Endlich kamen, wie ein Himmel der Erlösung, die wenigen Minuten erschöpften Daliegens. Und dann begann wieder die Qual ...
    Die Felddienstübung in einer mit sonderbar spitzen Steinen besäten Wüstenei 300 Kilometer südlich von Sidi-bel-Abbès dauerte genau acht Stunden und war vom Standpunkte der Legion überflüssig und daher wertlos. Die Entwicklung der Feuerlinie, das geschickte Deckungsuchen, der Sturmlauf des Bajonettangriffs, das Verständnis aller Signale, vollkommene Feuerdisziplin sind Dinge, die bei der unendlich praktischen militärischen Erziehung dieses Kampfregiments jedem Legionär völlig in Fleisch und Blut übergehen. Das Schlußmanöver war (ich hörte, wie unser Kapitän sich mit Leutnant Garde über diese Dinge unterhielt) weiter nichts als eine kleine Privatbelustigung unseres Colonels, der mit seinem Regiment brillieren wollte; eine militärische Liebhaberaufführung. Der kommandierende General dagegen habe zu seinem Adjutanten gesagt, es mache ihm ein diebisches Vergnügen, seine Legionäre wieder einmal »auszulüften«! Das Regiment faulenze schon sechs Monate in den Kasernen herum und könnte am Ende vergessen, daß seine eigentliche Heimat der Wüstensand sei, und daß es keinen andern Daseinszweck habe als zu laufen – viel zu laufen – kolossal zu laufen!
    Die Legionäre kannten die Vorliebe des Generals sehr genau und nannten ihn niemals anders als: »das Marschierschwein«. Der dicke Sergeant unseres ersten pelotons pflegte mit der Respektlosigkeit in lustigen Dingen, die in der Legion erlaubt ist, zu sagen:
    »Wenn ich den Kerl nur sehe, bin ich schon müde ...«
    Als der General noch Oberst war und das erste Regiment kommandierte, begegnete ihm einmal in einer Nebenstraße von Sidi-bel-Abbès ein betrunkener Legionär. Der Mann, der mit Ach und Krach eben noch grüßen konnte, hatte den wahnsinnigen Einfall, seinen Oberst anzusprechen.
    »Eh, mon colonel,« stotterte er. »ich hab' noch viel Durst. Zehn Sous, mon colonel ?«
    Der Oberst sah ihn erstarrt an.
    Da wurde der Legionär unter dem Blick der harten Augen mit einem Ruck nüchtern, und die rettende Idee fiel ihm ein:
    »Ich bin nämlich der beste Marschierer meiner Kompagnie, mon colonel! «
    Nun schmunzelte der Oberst und schenkte ihm ein Fünffrancsstück ...
    Gerade die kleinen Anekdoten und die derben Witze im Legionsjargon sind typisch für das ungeheure Gewicht, das im Regiment der Fremden auf die Marschleistung gelegt wird, ohne Rücksicht auf die Abnutzung der menschlichen Maschine, ohne Rücksicht, wie viele Leben dabei zugrunde gehen.
    General de Négrier, der einzige Kommandeur, den die Legion liebte, weil er sie liebte und es verstand, ein fast persönliches

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