Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

In der Fremdenlegion (German Edition)

Titel: In der Fremdenlegion (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erwin Rosen
Vom Netzwerk:
eigentlichen Bestimmung jeglichen Geldes, die ihm ein unerschütterlicher Glaubenssatz war. Und als wir die Treppe hinunterstiegen zur Kantine, schlug er klugerweise vor, zwei halbe Flaschen zu kaufen und nicht eine ganze. Denn die halben Flaschen füllte Madame la cantinière stets fast dreiviertel voll. So erzielten wir mit drei Kupferstücken das denkbar Möglichste.
    Mein Freund, der Trommler, trank in Ehrfurcht, bis die Flaschen auch keinen Tropfen mehr hergeben wollten. Dann wurde er wieder betrübt. Aber er tröstete sich:
    » Inschallah – und wenn wir kei' Geld habe, habe wir keins. Aber an deiner Stell' tät ich halt doch an jemand schreibe um e' bissele was!«
    Mit dem völligen Armsein kam erst das volle Verständnis für meine Umgebung. Die wenigen Silberstücke, die ich früher noch besessen, hätten in einem zivilisierten Leben den Preis einiger Theaterbillette oder einiger hundert Zigarren bedeutet – im Lande von Sidi-bel-Abbès waren sie ein Reichtum gewesen, der lange Zeit hindurch von mühseliger Kleinarbeit befreite. Ihnen hatte ich es bis jetzt verdankt, wenn ich nach langen Märschen oder nach schwerer Taglöhnerarbeit in die Stadt gehen konnte, ohne mich sofort wieder mit Putzen und Waschen plagen zu müssen. Winzig kleine Summen erkauften Befreiung von solcher Bürde – das war nun vorüber. Nach dem Dienst wusch ich stundenlang am Waschtrog, wie die anderen es tun mußten, und plagte mich alltäglich mit dem langweiligen Glänzendputzen des Lederzeugs.
    Meine Welt hatte sich verengert: jetzt bestand sie nur noch aus Exerzierfeld, Arbeitsstätte und meinem Bettplatz im Mannschaftszimmer. Immer wieder, hunderte Male, lag ich auf diesem Bett und starrte die sauber weißgetünchten Wände an und das lange Brett, auf dem die Tornister aufgebaut waren. Nun lebte ich ganz in den Legionskleinlichkeiten. Ich stritt mich mit den anderen herum, ob auch wirklich die Reihe an mir sei, im großen Tonkrug frisches Wasser zu holen: ich zankte mich über die unendlich wichtige Frage des Ausfegens unter meinem Bett und ich lernte Interesse für eine so bedeutsame Entscheidung, ob mir bei der großen Samstagsreinigung die Bank zugewiesen würde oder der große Tisch. Die Bank war ja viel leichter sauber zu machen!
    In ewig gleichem Einerlei schlich Tag für Tag dahin. Das graue Gleichmaß ermüdete das Hirn und machte gleichgültig gegen die kleinen Rücksichten und die winzigen Gefälligkeiten, die Menschen aneinander üben sollten, die in hartem Leben auf engem Raum zusammengedrängt sind. Überall zeigte sich Häßlichkeit, und ein jeder, war er auch noch so ein Tölpel, wurde schnell klug genug, um die schlechten Seiten in dem Mann zu erkennen, der täglich neben ihm arbeitete und nächtlich neben ihm schlief. Kleinliche Bosheit, unverantwortlicher Klatsch, lächerliche Kleinintrigue bildeten die Atmosphäre der Mannschaftsstube, in der wir zwanzig Menschen atmeten. Geraune und Getuschel in allen Ecken und Winkeln...
    Ich lernte die Menschen kennen, mit wenig Freude. Außer dem lustigen Rader steckte Humor nur in Abramovici. Er war die sonderbarste Gestalt im Zimmer. Er behauptete ein Rumäne zu sein, sprach aber nur Deutsch und zwar mit einem schreienden Berliner Akzent, was immerhin für einen Rumänen merkwürdig war. Auf die Frage nach seiner Konfession hatte er dem deutschsprechenden Korporal geantwortet, er sei ein Schweinefleisch essender Jude. Vermutlich wollte er damit ausdrücken, daß er keinerlei zarte Vorurteile habe.
    Der lange hagere Mensch schien aus Gummi zu bestehen. Auf einem dünnen Hals saß ein Raubvogelkopf, der beständig nach links und nach rechts schnellte, um nicht die Gelegenheit zu verpassen, wenn es irgend etwas zu ergattern oder zu stibitzen gab. Die riesige Nase beschattete ein böses Maul. In näselndem weinerlichem Ton zeterte er tagaus tagein über Gott und die Welt und die Fremdenlegion. Seinem Redefluß konnte niemand widerstehen, und er war der erste und letzte und einzige Legionär, dem es jemals gelang, prinzipiell nicht zu arbeiten.
    Sein französischer Spitzname war »Viaïsse« und erklärte sich daraus, daß der Gummimann in jedem Satz zehnmal den Schreckensruf »wie haißt« anbrachte. Als er sich einmal beim Kapitän über irgend etwas beschwerte, hatte dieser wuterfüllt die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und verzweifelt gebrüllt: »Viaïsse, viaïsse, sacré nom de Dieu toujours viaïsse – was will denn der Mensch?« Das ganze Regiment lachte

Weitere Kostenlose Bücher