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In der Fremdenlegion (German Edition)

Titel: In der Fremdenlegion (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erwin Rosen
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Verhältnis mit jedem Legionär herzustellen, sprach über die Härte der Legionsmärsche nur mit drei Wörtchen. Er tat, als er Kommandeur der Fremdenlegion war, alles für seine Truppe. Jeder Legionär durfte mit Privatanliegen zu ihm kommen, jeder Verwundete war ein Held für ihn, ein braver Mann, für den er nicht genug tun konnte. Wenn er aber auf den fürchterlichen Märschen in Madagaskar einen erschöpften Legionär aus der Kolonne taumeln und zusammenbrechen sah, so wurde sein Gesichtsausdruck hart und mitleidslos. Das war ein gemeines Verbrechen in seinen Augen. Dann schrie er die Worte, die zum Legionärssprichwort geworden sind:
    » Marschier' oder verreck'! «
    Märsche, die kein europäischer Kommandeur wagen würde, sind etwas Gewöhnliches; sie sind die Basis, auf der die Fremdenlegion ihre militärischen Erfolge errungen hat.
    Aber auch die Basis von Krankheit und Siechtum und Tod! In jedem dieser Märsche verkörpert sich das Prinzip der absoluten Menschenausnutzung als Leitmotiv der fremden Söldnerinstitution auf algerischem Boden. Militärisch gedacht, sind die Märsche der Legion prachtvoll, ein Triumph von Training und Disziplin. Menschlich gedacht, sind sie der Gipfel von gewissenlosem Ausbeutertum. Kein Neuyorker Kleiderjude, der in seiner »Schwitzbude« Hunderte von Menschen zu Hungerlöhnen an der Nähmaschine stöhnen läßt, macht solch' ausgezeichnetes Geschäft wie la légion , die für ein Nichts aus Tausenden von Menschen die Lebenskraft saugt. Nicht die Greuel der Strafbataillone, nicht die Brutalität der Strafen, nicht die armen Teufel, die wegen irgendeiner Lappalie standrechtlich erschossen werden, werfen die grellsten Lichter auf die Fremdenlegion – das tun die Märsche!
    Sechzehn Tage lang dauerte unser Manövermarsch von 600 Kilometern. Auf den Etappen im äußersten Süden hatte die Verpflegung fast nur aus Reis bestanden, und zu der Plage der täglichen 40 Kilometer hatte sich der Hunger gesellt. Trotzdem blieben die Tagesleistungen die gleichen wie auf dem Hinmarsche. Ich litt noch immer an meinen Magenschmerzen. Heute ist es mir ein Rätsel, wie ich es in diesem Zustand fertig brachte, noch 300 Kilometer in glühender Sonne zu marschieren und die Kälte der Nächte auszuhalten. Anderen ging es nicht besser. Sie marschierten mit offenen Wunden an den Füßen; mit eiternden Stellen zwischen Hals und Schulterblatt, da, wo die Riemen des schweren Tornisters drückten; mit Augen, die von der Sonne entzündet waren; mit schweren katarrhalischen Krankheiten; mit blutenden und schwärenden Reibungsstellen an den Oberschenkeln. Manche hinkten, und die meisten marschierten in gebückter Haltung, zusammengesunken, erbärmlich zum Ansehen wie ein Häuflein Elend. Mürrisch, schweigend, wütende Verbitterung in den harten Gesichtslinien und in den müden Augen, stampften wir dahin. Wenn jemand sprach, war es ein häßlicher Fluch.
    Die Nerven schienen zum Zerspringen angespannt. Über der ganzen Truppe lag das Aufgeregtsein der Übermüdung, körperliche und seelische Nervenkrankheit. Die Fremdenlegion hat sich einen eigenen Ausdruck dafür geprägt!
    Der » cafard « regierte. Der cafard der Fremdenlegion, der ein naher Verwandter des Tropenkollers ist und einen Sammelnamen darstellt für all' die unbegreiflichen Dummheiten, Exzesse, Verbrechen, die gequälte Nerven begehen können. Die deutsche Sprache hat kein Wort für diesen Zustand. Im cafard ist Mord verborgen und Selbstmord und Massenmeuterei, Selbstverstümmelung und planlose Flucht in die Wüste hinaus; er ist der Gipfel der Torheit und der Höhepunkt der Verzweiflung.
    Auf den letzten Etappen, wenn nachts das Regiment im Zeltlager kampierte, wurden wir häufig durch einen Höllenlärm aus dem Schlafe geweckt. Legionäre – Legionäre im cafard – sprangen im Licht der Wachtfeuer um die Zelte herum und brüllten die alten Legionslieder in die Nacht hinaus, die mit dem Fluchen auf den Korporal begannen und die ganze Skala aller Chargen bis zum kommandierenden General hinauf gewissenhaft durchschimpften – in einem entsetzlichen Legionsfranzösisch, das nur den Vorteil ungemeiner Kraft des Ausdrucks besaß. Kein Offizier wurde dabei übergangen, und jeder wurde vorsichtig mit Namen genannt, damit ja kein Irrtum möglich sei.
    Das Lied schillerte in farbenstrotzenden Beleidigungen. Der Vorwurf, daß Hauptmann Soundso mit dem Menagegeld der Kompagnie seinen Privatharem verpflege, war noch einer von den harmlosesten, und mit

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