In der Fremdenlegion (German Edition)
man sah in dem Bettnachbar einen Dieb, der einem ein wenig schwarzes Wachs stehlen wollte zum Lederputzen. Wenn einer mehr Arbeit aufgebürdet bekam als sein Nebenmann, schrie er Zeter und brüllte über Protektion und Günstlingswirtschaft und vermutliche gemeine Laster, die dem Beneideten leichtere Arbeit eintrugen.
Das war die Atmosphäre, in der sich die Legionsmarotten entwickelten. Merkwürdig viele Legionäre hatten einen »Sparren«, harmlose, komische Eigenheiten manchmal, die sich aber bis zum Wahnsinn steigern konnten.
Alle Marotten in der Legion nennt man Cafard. Der Legionär ist verdrießlich, sitzt stundenlang griesgrämig auf seinem Bett, spricht mit niemand, will von niemand etwas hören. Wenn man ihn fragt, ob ihm etwas fehle, antwortet er mit einer schweren Beleidigung. Er grübelt fortwährend und macht die absonderlichsten Geschichten. Er hat den Cafard...
Sein Legionskoller kann in einem sinnlosen Wutausbruch explodieren: Cafardbesessene stoßen einem Kameraden das Bajonett in den Leib, ohne jeden Grund, ohne jeden äußeren Anlaß. Manchmal rennen sie hinaus in die Wüste, manchmal zerfetzen sie jedes Stückchen ihrer Ausrüstung, um sich und andere einmal gründlich zu ärgern!
Am schlimmsten wird der Cafard in der heißen Jahreszeit, wenn aus wolkenlosem tiefblauem Himmel mit der sonderbaren grünlichen Färbung der Horizontränder, die Algerien eigentümlich ist, die Sonne unbarmherzig herniederbrennt. Dann liegt der Kasernenhof der Fremdenlegion öde und verlassen da. Es ist so heiß, daß die Steine auf dem gelben Lehmboden sich zu bewegen scheinen in der flimmernden überhitzten Luft. Die Legionäre der Wache tragen den flatternden weißen Nackenschutz und haben sich nasse Tücher in die Käpis gestopft. In den Mannschaftszimmern liegen die Legionäre auf ihren Matratzen und halten die streng vorgeschriebene sieste , die Ruhezeit von 11 Uhr Morgens bis 3 Uhr Nachmittags. Ist doch ein weißer Mann zu nichts zu gebrauchen in der Sonnenglut der heißen Zeit. Und in der Höllenhitze der Mannschaftszimmer hat der Cafard schon viel Unglück angerichtet; oft genug sind Legionäre während der sieste ohne jeden äußeren Anlaß plötzlich aus dem Fenster gesprungen, drei Stockwerke tief –
Ich habe einmal (wahrscheinlich auch im Cafard!) während der sieste eine Schilderung niedergeschrieben, wie es in unserem Mannschaftszimmer aussah. Die paar Zeilen sind das einzige, was ich in der Legion schrieb:
Halbnackt lag ich auf meinem Bett. Das Zimmer war heiß, heiß wie ein Backofen, geschwängert mit der Ausdünstung vieler Menschen. Von Fenster zu Fenster zog sich ein grellblendender Sonnenstreifen durch den länglichen Raum, und die Sonnenstäubchen tanzten und wirbelten im Kreis. Und Hitze, Hitze, daß sich die Mauern heiß anfühlten! Die Menschen in dem nackten, kalkgeweißten Zimmer lagen stöhnend auf ihren Betten, in allen möglichen und unmöglichen Stellungen. Die einen fluchten, andere stritten sich – nichts bringt den Cafard so scharf zum Ausdruck als physisches Leiden. Zwei Spanier zankten sich in der geräuschvollen, gestikulierenden Manier ihrer Rasse: ein Deutscher, im nächsten Bett, war eingeschlafen und murmelte deutsche Worte im Traum. Von seiner Mutter. Drüben in der anderen Zimmerecke schrie ein Franzose wütend, man solle ihm eine Bürste geben, seine Bürste sei verschwunden. Sein Bettnachbar brummte halb Arabisch, halb Französisch, ein häßliches Marschlied vor sich hin. Immer der gleiche Refrain:
Si le caporal savait 'ça! Il dirait: Nom de Dieu!
Ein anderer rieb langsam, wie ein Automat, an seinem Lederzeug herum, ein dritter erzählte, daß der Sergeant ein Lump sei und ihn tot arbeite. Da wachte der Deutsche auf. Im Schlaf gestört, schrie er brutal: »Maul halten, Bande, Bande!« Und die Franzosen und die Spanier johlten über die deutschen Worte –
» Monsieur le Caporal « [Fußnote: » Monsieur le caporal « war Korporal Wassermanns Spitzname, weil er persönlich auf »gute Manieren« hielt und in den Augen der Legionäre die Marotte hatte, in Befehlen und Gesprächen sich einer gewählten Sprache zu befleißigen. – Der Verf.] richtete sich langsam, müde, auf den Ellbogen auf und sagte in leisem Tone:
»Ein wenig Ruhe bitte!«
Die Spanier lachten, und ein Franzose sagte halblaut, die verdammte » casque à pique «, die preußische Pickelhaube, möge ehrliche Legionäre wenigstens während der sieste in Ruhe lassen.
Der Korporal rührte sich
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