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In der Fremdenlegion (German Edition)

Titel: In der Fremdenlegion (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erwin Rosen
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sich halbtot über »Monsieur Viaïsse,« und niemals wieder wurde er Abramovici gerufen, sondern Offiziere und Unteroffiziere riefen ihn: »Eh – Viaïsse , komm' sie her!« Er arbeitete nie. Vor Strafen rettete ihn die Komik, die ihm der Gott seiner Väter mit in die Wiege gegeben hatte. Ewig lang war er und unendlich dürr, und seine Arme reichten fast bis auf den Boden. Wenn ein Vorgesetzter sich unterfing, ihm irgendeine Arbeit aufzutragen, kam das Leben eines ganzen Ghettos in den dürren Gummimann. Seine Augen wurden groß und starr, die Nase bekam eine hochrote Wutfarbe, und der Kopf wackelte hin und her wie ein Pendel.
    Dann schöpfte Viaïsse tief Atem. Die langen Arme, die ausgespreizten Krallenfinger fuhren in der Luft herum und ein wahnsinniger Wortschwall ergoß sich aus dem bösen Maul.
    »...Wie haißt, nom de Dieu de bon Dieu de la Fremdenlegion , Gott soll mer strafen, soll ich mer arbeiten zu Tod, wie haißt? Gott der Gerechte, hab' ich gemüssen exerziert de ganze Vormittag und hab' ich nix gekriegt zu fressen wie 'ne dünne Supp' – waih geschrien, bin ich ä geschlagener Mann und werd' ich kriegen müssen ä Extraportion zum Essen, wenn ich nicht soll fallen um mausetot, jutester Sergeantleben. Wie haißt, wie haißt – bin ich e ruinierter Mann, wenn ich nicht krieg' sofort ssu essen! Nu??«
    Man kann's nicht wiedergeben. Meine Worte sind blaß und mager und ärmlich, ich gebe billigen Glasfluß an Stelle der unschätzbaren Wortdiamanten meines Freundes Abramovici. Ein Freund war er, denn nie wieder hat mir jemand so viel Lachen beschert. Als er mit dem Depotzug aus Oran kam, hörte ich zu, wie ihm der Sergeant des Pelotons zum erstenmal eine Arbeit anbefahl. Abramovici kam ganz aus dem Häuschen über diese unerhörte Zumutung. Seine Arme wirbelten durch die Luft wie Windmühlenflügel und sein Wortschwall sprudelte.
    Der arme Sergeant wollte ein Wort einwerfen, er wollte einen gemessenen Befehl erteilen, er wollte wütend werden. Aber er konnte nicht. Er sah nur immer wieder in starrem Staunen das giftige Rot der Nase an, er drehte sich, um den Windmühlenarmen zu entgehen, und ließ sich endlich mit einem greulichen arabischen Fluch auf das nächste Bett niederfallen, um eine Viertelstunde lang so fürchterlich zu lachen, wie er in seinem ganzen Leben noch nicht gelacht hatte. Als er endlich Luft schnappen mußte, radebrechte er (alle Legionssergeanten radebrechen Deutsch): »Oh Gott in Himmel, cet homme là , ssu viel spreken! Was isse das: Waih geschrien – ?«
    Abramovici aber sprudelte weiter, bis endlich seine Rede in einigen letzten Klagen zu Gott dem Gerechten und dem Gott seiner Väter versickerte.
    Damit kam er immer durch – das Lachen ist so selten da unten, daß Monsieur Viaïsse von Offizieren und Kameraden hoch geschätzt wurde.
    Mich nannte er Freund. Von seiner Seite begann unsere Freundschaft mit einer konventionellen Frage:
    »Wie haißt, werden Se mer geben ä Cigarett'?«
    Viele Zigaretten hat der rumänische Jude aus Berlin von mir bekommen, solange noch Silber in meiner Tasche war. Er versicherte mich dafür seiner Hochachtung und titulierte mich in rauchbedürftigen Momenten mit »Herr Baron«. Als mit den Silberstücken die Zigaretten ein Ende nahmen, litt unsere Freundschaft ein wenig.
    Ich selbst lebte in einem Zustand ewiger Reizbarkeit. Die geringste Kleinigkeit konnte eine Wut in mir auslösen, die mir heute unbegreiflich erscheint. So manches Mal riß ich meine paquetage vom Brett herunter, mühevolle Arbeit zerstörend, nur weil irgend eine Hose oder eine Jacke mir nicht die richtigen Fältchen zu haben schien. Es war sicherlich nichts anderes als Cafard gewesen, als ich damals auf dem Manövermarsch meinen Kapitän anschrie, weil der Arzt mir kein Opiat geben wollte – es war genau der gleiche Cafard, in einer milderen Form, wenn ich diesen oder jenen Kameraden anbrüllte, nur weil er mir beim Lederzeugputzen im Wege stand. Mein Verärgertsein, meine Reizbarkeit, mein Hinbrüten war – Fremdenlegionskoller.
    Kein Legionär entgeht ihm.
    Die anderen Kameraden im Zimmer hatten alle zuzeiten in größerem oder geringerem Grade den Cafard ... Zusammengepfercht wie Pferde in einem schlechten Stall wurden die Menschen bösartig. Man stritt sich um den Viertelliter Kompagniewein, der jeden zweiten Tag verteilt wurde, und wachte mit lächerlichem Argwohn darüber, daß nicht einer einen Tropfen mehr bekam als ein anderer: man zankte sich um ein Stückchen Brot:

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