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In der Fremdenlegion (German Edition)

Titel: In der Fremdenlegion (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erwin Rosen
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nicht. In dem gleichen, ebenmäßigen, leisen Tone sprach er weiter: »Ruhe! Sie wissen alle, daß während der sieste jeder laute Ton strenge verboten ist. Legrand, wegen des Ausdrucks » casque à pique « bestrafe ich Sie mit zwei Tagen Kasernenarrest. Sie dienen nicht in einem französischen Linienregiment, sondern in der Fremdenlegion! In der Fremdenlegion, verstehen Sie, und hier darf keinem Manne aus seiner Nationalität ein Vorwurf gemacht werden. Im übrigen ist es unklug, seinen eigenen Korporal zu ärgern, 'ça y est! «
    Die Legionäre lachten und es wurde ruhig.
    Herrgott, die Hitze! Da, ein klirrender, metallischer Klang. Der eine Spanier hatte das lange Nadelbajonett, das immer über dem Kopfende eines Legionärbettes hängt, herausgerissen und war im schönsten Zuge, auf seinen Landsmann und Kameraden loszugehen. Der Korporal sprang zwischen die beiden und schleuderte den einen rechts, den andern links weg. Natürlich war in einer Sekunde der Krawall da. Die beiden Spanier gingen aufeinander los, schrien sich an und waren im Begriff, sich umzubringen. Die übrigen Legionäre lachten und johlten dazwischen...
    Endlich klang unten im Hof das Signal Debout, légionaires, debout – auf, auf! Die sieste hat ihr Ende!
    Das schrieb ich damals, halbnackt auf meinem Bett liegend, stöhnend vor Hitze. Das Bild hat den Vorteil des unmittelbaren Eindrucks. So sahen die Zeiten aus, in denen der Cafard am besten gedieh.
    Dann wieder tritt er in Massen auf. Die Legionäre einer halben Kompagnie stecken viele Tage lang die Köpfe zusammen und grübeln irgendeinen verzweifelten Streich aus. Bald ist es Massenmeuterei; bald gemeinsame Desertion. Dieser Koller ist überall zu Hause, wo eine Kompagnie von Fremdenlegionären haust. In irgendeiner Form ist er immer da. Er ist der Grund der fürchterlichen Tätowierungen; er steckt hinter der Sucht nach Trinken und Lärmen; er ist die Ursache jener merkwürdigen Sehnsucht nach fortwährender Veränderung, jener Ruhelosigkeit, die für die Fremdenlegion typisch ist.
    Die Legionäre selbst wissen gar nicht, wie der Cafard mit ihnen spielt. Wenn solch' ein alter Landsknecht brummig sagt: » J'ai le cafard ,« so will er damit seiner verehrlichen Umgebung nur klar machen, daß er in ganz miserabler Laune ist und es für seine Nebenmenschen ein Gebot der Klugheit sein dürfte, ihn in Ruhe zu lassen! Aber er hat keine Ahnung, daß eine verborgene Macht, ein Ding, das große Ähnlichkeit mit Geisteskrankheit hat, sein ganzes Tun und Lassen regiert! Er glaubt nur, in recht schlechter Laune zu sein. Aber die schlechte Laune steigt und wächst und treibt ihn allzuoft zum Mord, öfter noch zum Selbstmord.
    Der Legionär selbst kann die Wirkungen des Cafard gar nicht überblicken. Aber die typischen »Cafardbesessenen«, die alten, mürrischen Gesellen, die ihren Dienst verrichten wie Maschinen und außerhalb des Dienstes kaum ein Wort sprechen, werden instinktiv gefürchtet, als ob ihre Kameraden wüßten, daß in jedem Augenblick irgendeine Kleinigkeit den schlummernden Wahnsinn zum Ausbruch bringen kann.
    Ich habe solch' eine Explosion (das ist der richtige Vergleich!) miterlebt. Wir hatten in unserer Kompagnie einen langgedienten Legionär. Er war ein Franzose und trug die Legionsuniform schon über zehn Jahre. Er ging uns allen aus dem Wege und schlich sich mürrisch in irgendeinen verlassenen Winkel des Kasernenhofes, wenn der Dienst vorüber war. Die Kaserne verließ er nur jeden fünften Tag, am Löhnungstag, um schwankend, offenbar betrunken, gerade noch vor dem Abendappell zurückzukommen. Aber er machte niemals Lärm, sondern warf sich schweigend wie immer, auf sein Bett. Wo er hinging, wo er seinen Wein kaufte, mit wem er trank, wußte niemand von uns.
    An einem Löhnungstag, als die Hälfte unserer Kompagnie auf Wache war, verspätete er sich einmal. Die Kasernentore waren schon längst geschlossen. Guttinger und ich saßen noch auf der Bank vor der Wache; der Sergeant und die anderen Legionäre lagen drinnen auf den Pritschen. Da rief der Posten vor dem Tor den Wachhabenden mit der vorgeschriebenen lakonischen Meldung:
    » Sergeant – la porte! «
    Das Tor! Fluchend kam der Wachhabende mit den Schlüsseln. Draußen stand schwankend, das Käppi weit auf den Hinterkopf zurückgeschoben, der mürrische alte Legionär.
    »Bertillon?« sagte der Sergeant, indem er die Pforte aufschloß. »Du verdammtes, altes Schwein könntest auch schon wissen, wann du nach Hause zu kommen

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