Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

In der Fremdenlegion (German Edition)

Titel: In der Fremdenlegion (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erwin Rosen
Vom Netzwerk:
sie.
    Nur stehlen wollte er die Weintrauben.
    Das war sein Cafard, seine ganz spezielle Wut gegen die Weinbergbesitzer. Und sein Cafard hatte seine eigene Geschichte.
    Weintrauben sind zwar wenig wert in Algerien, aber – als jedes Jahr um die Traubenzeit dreitausend Legionäre abends auf den kleinen Nebenpfaden vor der Stadt spazieren gingen, da, wo die Weinberge lagen, und als jeder von diesen Legionären ganz gemütlich fünf Pfund Trauben im Gehen aufaß und weitere zehn Pfund mindestens unter seinem weiten blauen Mantel in die Kaserne schleppte, da – wurden die spanischen Weinbauern energisch. Sie sandten eine Deputation zum Regimentskommandeur der Fremdenlegion und ließen ihm vorstellen, daß seine Legionäre schlimmer wären als die Heuschreckenplage. Der Colonel schimpfte und erließ einen geharnischten Regimentsbefehl, in dem er mit » prison « drohte. Die Legionäre lachten und waren ein wenig vorsichtiger. Aber sie stahlen genau so viel Trauben wie früher. Die armen Spanier sahen, daß es so nicht ging. Sie stellten also Araber an, rüsteten sie mit Schrotgewehren aus und empfahlen diesen Arabern, den Vogeldunst nicht zu sparen. Am nächsten Morgen war der médecin-major sehr erstaunt, als sich bei der Krankenvisite fünfundsechzig Legionäre meldeten, die (hauptsächlich an den Beinen und auf dem Platz, der zum Sitzen geschaffen ist) durch Schrotschüsse verwundet waren.
    Die Extraktion der vielen kleinen Schrotkügelchen kostete ihm sehr viel Zeit, und das machte ihn wütend. Er ging zum Colonel und beschwerte sich. Der ahnte etwas und vernahm die Angeschossenen, die prompt eine große Geschichte von einem Massenüberfall durch Araber erdichteten. Worauf der Colonel lachte und die ganze Gesellschaft vier Wochen lang bei Wasser und Brot einsperrte.
    Nun hatten die Spanier Ruhe. Denn: Geschossenwerden und Eingesperrtwerden seien die Trauben nicht wert, sagten die Legionäre betrübt.
    Der kleine Krügerle aber bekam von diesem Moment an seinen Traubencafard. Täglich ging er auf Diebstahl aus. Täglich kroch er mit zäher Geduld und unendlicher Schlauheit in den Weinbergen herum und stahl Trauben. Einmal wurde er angeschossen und rannte in aufgeregter Gemütsverfassung spornstreichs in die Kaserne zurück, lief ins Mannschaftszimmer und – fünf Minuten nachher waren die sämtlichen fünfzehn Mann des Zimmers emsig damit beschäftigt, ihrem Kameraden unzählige Schrotkügelchen aus dem weichen Fleisch der Verlängerung seines Rückens herauszugraben. Mit Taschenmessern!
    Krügerle unterzog sich der Prozedur mit mehr oder weniger Ruhe – die vier Wochen cellule , die er sicherlich bekommen hätte, wenn er zum Arzt gegangen wäre, waren einiges Geschundenwerden wert! Er fluchte große Flüche – – aber am nächsten Tag stahl er wieder Weintrauben.
    *
    Im Cafard steckt immer der Keim zum Wahnsinn, zur Tragödie. Ich habe die Wahnsinnstragödie eines Legionärs miterlebt.
    In unserem Mannschaftszimmer, in der Ecke beim Fenster, hatte ein Oesterreicher sein Bett. Bauer hieß er. Er war kurze Zeit nach mir mit einem neuen Rekrutenschub zur Kompagnie gekommen und war damals körperlich gesund, frisch und neugierig gewesen wie alle anderen Rekruten. Ein Durchschnittsmensch, dem das Erlernen der französischen Kommandos nicht leicht fiel und der sich mit seiner Arbeit redlich plagte. Aber von Woche zu Woche war er stiller geworden. Er tat stumpfsinnig seinen Dienst und sprach mit niemand. In der freien Zeit saß er auf seinem Bett und brütete vor sich hin. Dann und wann wurde er bestraft, weil er seine Uniform vernachlässigte. Doch schien dies keinen besonderen Eindruck auf ihn zu machen. Stumpfsinnig wie vorher kam er aus dem Gefängnis zurück, um sich wieder auf sein Bett zu setzen und zu grübeln. Niemand kümmerte sich um ihn. Aber mit einem Male kam über den stillen Menschen ein merkwürdiger Drang, der ihn zu einem belachten, verhöhnten, angefeindeten Wundertier machte, um das sich wochenlang der Stubenklatsch drehte.
    Bauer litt an unerklärlichem Heißhunger. Er war noch stiller geworden als früher. Aber wenn die Mittagssuppe kam, fiel er über seinen Blechnapf her wie ein wildes Tier, schlingend, würgend, fressend. Gierig sah er uns anderen beim Essen zu. Wenn wir fertig waren, schlich er sich an den Tisch heran und untersuchte mit brennenden Blicken die Schüsseln, ob noch ein Rest von Suppe in ihnen sei. Dann stürzte er hinunter zur Kompagnieküche, um von dem alten Koch irgend etwas

Weitere Kostenlose Bücher