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In der Fremdenlegion (German Edition)

Titel: In der Fremdenlegion (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erwin Rosen
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wilder Panik und liegen stundenlang mäuschenstill, bis die arabische Patrouille weit über den Horizont hinweg ist. So vergehen die Tage. Haben sich Ausreißer zusammengefunden, in denen die Energie und die Gewalttätigkeit des Abenteurers steckt, dann terrorisieren sie manchmal die Araber der einsamen Ansiedlungen viele Wochen lang, bis die Unterdrückten Hilfe herbeiholen und ein Kampf gegen die Uebermacht entsteht, in dem die Legionäre elend unterliegen.
    Verzweifelten Pumpisten, die um jeden Preis Marokko erreichen wollen, gelingt es dann und wann, sich Gewehre zu verschaffen. Dann sind sie gerüstet für die Grenzräuber. Ihre eigenen Gewehre konnten sie bei der Flucht nicht mitnehmen. Sie wären mit der Waffe niemals durchs Kasernentor gelassen worden.
    Solch ein alter, zäher Legionär, der alle Grenzeinrichtungen kennt, marschiert nur in den Nächten, mit unendlicher Vorsicht, bis er an die Linien der Grenzwachen kommt. Er weiß, daß die Zeltreihen dreifach sind, je einen viertel Kilometer entfernt. In dunkler Nacht schleicht er sich durch. Lange Zeit braucht er dazu. Die Zelte einer Reihe stehen zwar weit auseinander, und das Durchkommen scheint nicht sehr schwierig. Aber das ist nur scheinbar. Denn alle zweihundert Meter steht ein Posten, der die schräge Linie der 250 Meter bis zur nächsten Zeltreihe bewacht. Diese Posten sind staffelförmig angeordnet.
    Die Zeltlinie ist endlos lang. Würde der Deserteur versuchen, einfach in gerader oder schräger Linie durchzuschleichen, so würde er sicherlich von einem der Posten, die ja in schräger Ordnung einander folgen, entdeckt werden. Er kennt aber den Trick. Er wartet geduldig, bis er einen Posten der ersten Zeltreihe entdeckt hat. Hundert Meter von diesem Posten schleicht er durch und schlägt dann sofort eine schräge Richtung ein, 250 Meter lang, bis er zur nächsten Zeltreihe kommt. Dann wieder geradeaus, dann wieder schräge...
    Nun arbeitet er sich, auf dem Bauch rutschend, sich in den Sand eingrabend, in stundenlangem Kriechen zu einem Zelt der äußersten Linie hin.
    Ein rascher Schnitt durch die Zeltwand, ein vorsichtiges Fühlen und Tasten – ein Lebelgewehr und ein Patronengürtel sind sein. Dann schleicht er fort. Er hat eine Waffe. Er hat eine Chance für sein Leben, für das Durchqueren Marokkos!
    Gewöhnlich aber, nach wenigen Tagen goldener Freiheit, einer Freiheit, die sich aus endlosem Laufen und immerwährendem Hunger zusammensetzt, finden die Pumpisten ihr Schicksal in einigen berittenen Goums [Fußnote: »Goums« heißen die arabischen Gendarmen. Der Verf.] und fügen sich ohne viel Federlesens den vorgehaltenen Revolvern. Den gleichen Weg, den sie gekommen sind, müssen sie wieder zurücklaufen, gefesselt, mit einer langen Kette an das Pferd eines Goums gebunden, keuchend und zitternd vor Anstrengung das Tempo des Pferdes einhaltend, wenn sie nicht über Sand und Steine geschleift werden wollen. So geht es von Station zu Station zum Gefängnis ihrer Garnison. Wenn sie so glücklich sind, keine Waffen oder Uniformstücke verloren zu haben und nicht über acht Tage fort gewesen sind, werden sie vom Regiment bestraft und kommen mit sechzig Tagen cellule – Haft in einer dunklen Einzelzelle – davon. Fehlt aber irgend ein Teil der Uniform, so werden sie wegen Desertion und Diebstahl vor das Kriegsgericht gestellt.
    »Traveaux forcés« , Zuchthaus, ist auf Jahre ihr Los – eine Strafe, die gewöhnlich den Tod bedeutet, denn wenige Naturen können das fürchterliche Leben in den Sträflingskolonnen aushalten.
    Das ist die Odyssee des »auf Pump Gehens«.
    Solche poumpistes waren Rader und seine fünf Freunde. Eines Abends fehlte der Mann der kräftigen Ausdrücke und des nie versiegenden Humors beim Abendappell.
    Von anderen Zimmern wurden andere Vermißte gemeldet, und am nächsten Morgen ging es wie ein Lauffeuer durch die Kompagnie, daß sechs Deutsche »en bloc« ausgerissen seien!
    Der Sergeant unserer Sektion nahm das Inventar der Uniformstücke und Ausrüstungsgegenstände auf, die Herr von Rader zurückgelassen hatte. Er schimpfte, wie nur ein fauler Legionssergeant schimpfen kann, über sein persönliches Pech, weil von den sechs Ausreißern vier zu seiner Sektion gehört hatten und ihm nun so viel Arbeit und Aerger machten! Der Feldwebel erschien beim Abendappell höchstpersönlich auf unserem Zimmer und ermahnte Korporal Wassermann, dafür zu sorgen, daß unter den Leuten seines Zimmers keine Desertionen mehr vorkämen.

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