In der Fremdenlegion (German Edition)
brachen zusammen, als sie an die frische Luft kamen. Da ließ der General sämtliche Silos vor seinen Augen zuschütten und ordnete an, daß die Silostrafe niemals wieder angewandt werden dürfe.
Primitiver, in ihrem Raffinement aber fast noch brutaler, war die crapaudine . Der zu Bestrafende wurde einfach zu einem Bündel zusammengeschnürt und in eine Ecke geworfen. Man band ihm Hände und Füße auf dem Rücken zusammen, bis der Körper eine Art Halbkreis bildete. Tag und Nacht lag solch ein crapaudinaire hilflos da, unfähig, sich zu rühren. Höchstens konnte er sich mit unendlicher Mühe von einer Seite auf die andere wälzen. Eine Viertelstunde lang im Tag wurde er losgebunden und bekam Brot zu essen und Wasser zu trinken. Ein Tag und eine Nacht in der crapaudine genügte, um einen starken Mann auf längere Zeit bewegungsunfähig zu machen – mehrere Tage bedeuteten Siechtum.
Auch diese Strafe ist abgeschafft worden. In einer milderen Variation lebt sie noch fort: im Felde und auf Märschen werden Vergehen durch Anbinden nachtsüber an zwei in den Boden geschlagenen Holzpflöcken bestraft.
Heutzutage tragen die Strafen der Fremdenlegion nicht mehr den grausamen Charakter von früher.
Wenigstens äußerlich nicht! Raders Freunde kamen mit vierzig Tagen prison davon, während der arme Rader selbst nach langer Untersuchungshaft kriegsgerichtlich abgeurteilt wurde. Der Aermste hatte seine Schärpe und sein Käppi verloren und wurde wegen »Diebstahls von Uniformstücken« zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Wie es ihm dort gegangen ist, weiß ich nicht.
Irgendwie festgesetzte Strafen für Desertion gibt es nicht. Im allgemeinen werden Pumpisten milde behandelt und von Regimentswegen mit prison bestraft, von 40 bis zu 120 Tagen, wenn sie Rekruten sind. Nur dann. Alte Soldaten kommen vor's Kriegsgericht. Aber auch dies gilt nur ganz allgemein; wenn z.B. ein Deserteur sich aus irgendeinem Grunde das Uebelwollen seines Feldwebels oder seiner Unteroffiziere zugezogen hat, so wird die Anklage gegen ihn sicherlich den Verlust von Uniformstücken verzeichnen, mag er auch nicht das Geringste verloren haben. Man ist in der Anwendung der Strafen sehr individuell in der Fremdenlegion!
Aeußerlich gibt es ja eine gewisse Stufenleiter von Strafen. Sie beginnt mit der Extra- corvée , die schon recht empfindlich ist. Für kleine Verfehlungen im innern Kasernendienst, für eine nicht kunstgerecht aufgebaute paquetage , für einen ungeputzten Knopf, wird durch den Sergeanten der Sektion dem Sünder eine Reihe von »Extra-Arbeitstagen« zudiktiert. Der Bestrafte hat den schweren Arbeitsdienst der corvée an jenen Tagen zu leisten, an denen seine Kameraden bei leichter Flickarbeit sitzen oder Instruktionsstunde haben. Wegen persönlicher Verfehlungen bin ich während meiner Dienstzeit in der Legion niemals bestraft worden, auch nicht mit Extra-Corvée – ich hütete mich zu sehr, auch nur den geringsten Anlaß zu geben! Massen-Corvée aber machte ich häufig mit. Sie war eine Spezialität unseres Feldwebels. Wenn er morgens unser Mannschaftszimmer inspizierte und irgendeine Kleinigkeit zu rügen fand, so plagte er sich nicht weiter mit Details, sondern sagte einfach:
»Eh, Korporal! Unangenehmes Zimmer. Scheußlich! Ganze Gesellschaft Extra-Corvée heute nachmittag, unter Ihrer Führung, Korporal!«
Worauf der Korporal fürchterlich fluchte und sämtliche Zimmerinsassen sich darüber einigten, der Feldwebel sei ein sale cochon – ein dreckiges Schwein. Da das »Schwein« aber auch die Borsten der Autorität besaß, so mußte trotz allen Schimpfens die Extra-Corvée abgearbeitet werden.
Fast ebenso häufig war der Kasernenarrest. Er stellt die nächsthöhere Sprosse auf der Stufenleiter der Strafen dar und ist immer mit »salle de police« verbunden. Salle de police , Disziplinsraum, ist die Nebenbezeichnung für die Massenzellen in den Gefängnissen. Vor allem dürfen die Kasernenarrestanten natürlich die Kaserne in der freien Zeit nicht verlassen. Sonst tun sie Dienst wie gewöhnlich. Nach Beendigung der Tagesarbeit jedoch, von fünfeinhalb Uhr bis neun Uhr abends, werden sie jede halbe Stunde, häufig jede Viertelstunde, durch ein besonderes Signal in den Kasernenhof gerufen, und der wachhabende Unteroffizier stellt ihre Anwesenheit fest. Wer das Signal verpaßt und bei einem Appell fehlt, wandert auf acht Tage ins Gefängnis. In der Angst, das Signal zu überhören, haben die Leute keine Sekunde Ruhe und finden kaum
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