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In der Fremdenlegion (German Edition)

Titel: In der Fremdenlegion (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erwin Rosen
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Disziplin nötig ist. Wenn die Justiz der Fremdenlegion praktisch so wäre, wie sie theoretisch ist – hart, aber gerecht – so würde man nichts gegen sie sagen können. Sie ist jedoch gerecht nur im Prinzip, in der Absicht des militärischen Gesetzgebers. In Wirklichkeit ist sie eine Justiz bodenloser Willkür; dazu gemacht, durch individuelle Willkür von Offizieren und Unteroffizieren in den einzelnen Fällen, durch ein zopfiges, rechtbeugendes Hangen an einem starren »Schema F« im allgemeinen.
    Jeder französische Offizier, jedes französische Kriegsgericht geht von der zeitgeheiligten Voraussetzung aus, daß der fremde Legionär zwar ein tapferer Soldat sei, im übrigen aber ein abgefeimter Lump und Spitzbube, bei dem man nie fehlgeht, wenn man das Schlimmste von ihm annimmt. Das Wort eines Vorgesetzten ist stets gültiger Schuldbeweis. Keine bessere Illustration kann es dafür geben, als die ewigen schweren Strafen für den »Verkauf von Effekten«. Diese Art von Diebstahl existiert. Natürlich! Sie mag sogar häufig vorkommen, wie es nicht weiter verwunderlich ist bei einer Löhnung von vier Pfennigen im Tag.
    Aber: Tausende sind im Laufe der Jahre unschuldig bestraft worden für dieses Vergehen.
    Der älteste und beliebteste Kniff chikanierender Unteroffiziere ist es ja, die plötzliche Inspektion aller Effekten eines Mißliebigen zu inszenieren. Irgendeine Kleinigkeit, eine Halsbinde, ein paar Riemen, werden schon fehlen, und dann ist der casus belli gegeben! »Verloren ist gestohlen – verkauft!« So lautet das unerschütterliche Legionsaxiom, gegen das alle Beteuerungen nichts auszurichten vermögen. Dann und wann wird solch ein Verbrecher milde behandelt und vom Regiment mit sechzig Tagen Gefängnis bestraft; in den meisten Fällen kommt er vors Kriegsgericht.
    Ein typischer Fall: »Malheur-Jean« wurde in meiner Kompagnie ein junger Franzose genannt, der im zweiten Jahre seiner Dienstzeit wegen Diebstahls einer Schärpe zu sechs Monaten Strafbataillon verurteilt worden war, unschuldig, wie er behauptete. Ich glaube nicht, daß er log, denn seine Mutter schickte ihm allmonatlich zwanzig Franks. Er gehörte also zu den Wohlhabenden im Sinne der Fremdenlegion und hatte es sicherlich nicht nötig, um einiger Sousstücke willen seine ceinture zu verkaufen und eine schwere Strafe zu riskieren. Die Wahrscheinlichkeit sprach für seine Unschuld, aber das half ihm nichts. Er wurde verurteilt. Die sechsmonatliche Quälerei überstand er glücklich und kehrte zur Kompagnie zurück.
    Nun begann erst seine eigentliche Leidenszeit. Als er damals angeklagt worden war, hatte er im Zorn über die falsche Beschuldigung dem adjudant bittere Worte gesagt. Das vergaß ihm der Kompagniegewaltige niemals. Trotzdem der kleine Jean ein stiller Mensch war, der seinen Dienst nach bestem Können verrichtete, ein sauberer Soldat, ein ausgezeichneter Schütze, pendelte er fortwährend hin und her zwischen Gefängnis und Kompagnie, Kompagnie und Gefängnis. Nichts konnte er recht machen: bald waren seine Stiefel nicht ordentlich geputzt, bald stand sein Bett um einige Zentimeter über die schnurgerade Linie der andern Betten hinaus, bald war seine Haltung beim Appell nicht stramm genug. So sahen die angeblichen Versündigungen des kleinen Jean gegen den heiligen Geist der Legionsdisziplin aus – lächerliche, dumme Anschuldigungen, denen der Stempel der Chikane so deutlich aufgeprägt war, daß selbst der gleichgültigste Kompagniechef stutzig werden mußte.
    Diese menschlichen Strafmaschinen arbeiteten jedoch automatisch, ohne Gefühl, gedankenlos. Die sühnenden Strafanträge für die gräßlichen Sünden des kleinen Jean wurden mechanisch erhöht . Wenn der Feldwebel acht Tage Kasernenarrest vorschlug, erhöhte der Herr Kapitän die Strafe auf acht Tage Gefängnis. Das war etwas Selbstverständliches, da Jean le malheureux als entlassener Disziplinär natürlich »in einem scheußlichen Ruf« stand ... Der Bataillonskommandeur als nächste Instanz wollte sich auch nicht lumpen lassen und verdoppelte die Strafe. Nun waren aus den bescheidenen acht Tagen Kasernenarrest schon volle sechzehn Tage Gefängnis geworden.
    Jetzt aber kam noch die höchste Autorität der Regimentsjustiz – der Herr Oberst. Dieser Herr Oberst hatte prinzipielle Ansichten über die Behandlung schlechter Elemente in seinem Regiment.
    »Soldat zweiter Klasse Jean Dubois, Nr. 14892, 11. Kompagnie, wird durch den Regimentskommandeur wegen fortgesetzter

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