In der Fremdenlegion (German Edition)
auf. Wir Legionäre der Wache drängten uns an die Gitter des Tores, der adjudant vaguemèstre , der Postagent des Regiments, kam aus seinem kleinen Bureau dem Wachlokal gegenüber gelaufen, einige Offiziere schlenderten herbei, aus allen Ecken und Winkeln des Hofes strömten die Kameraden zum Kaserneneingang.
»Die Pumpisten sind da!« rief einer dem andern zu.
Die Ausreißer unserer Kompagnie waren es, der arme Rader und seine fünf Freunde. Sie sahen erbarmungswürdig aus. Zwei Gendarmen führten sie. Mit einer langen dünnen Stahlkette waren die sechs Menschen aneinandergefesselt. Die schmutzigen Uniformen hingen ihnen in Fetzen am Leibe: sie waren abgemagert und in sich zusammengesunken, als ob sie todmüde seien. Ihre Gesichter waren verschrammt. Rader trug eine blutige Binde um den rechten Arm. In ihren Augen lag die Angst vor der kommenden Strafe.
Die Gendarmen mochten sie schlimm genug behandelt haben. Scheu sahen sie sich um – offenbar schämten sie sich des demütigenden Gefesseltseins, der Sträflingskette. Nur Herr von Rader ließ sich seinen unvermeidlichen Humor nicht nehmen.
»Juten Tag ooch! Ick bin wieder da!!« rief er dem Sergeanten zu.
In dem kleinen Zimmer des Offiziers du jour wurde ein kurzes Protokoll aufgenommen, und die beiden Gendarmen bekamen die übliche Regimentsquittung über den richtigen Empfang der ergriffenen Deserteure. Sie zogen vergnügt ab, war doch diese Quittung 25 Franks wert, als Belegdokument für die Fangprämie.
Die Pumpisten warteten vor dem Wachlokal, immer noch an der Kette vereint. Als Herr von Rader mich sah, begrüßte er mich mit einem Kopfschütteln.
»'Ne oberfaule Sache!« sagte er ganz laut. »Bruderherz, ick bin doch keen Medizinmann jeworden! Et is nischt mit das Zaubern. Uff enmal reiten fünf verdammte arabische Gendarmen uff uns los und halten uns ihre Revolver vor die Nasen! Die konnt' ich nich wegzaubern! Nee, et is nischt, Bruderherz. Ick verzichte uffs Tippeln, wenn ick an 'n Schwanz von 'n Gaul jebunden bin. Jeloffen is dat Aas ... Un' ick immer feste mit! Weil ick dranjebunden jewesen bin, weeßte?« Silence! befahl der Wachhabende. »Ruhe! Hier wird nicht gesprochen!«
Als die Formalitäten der Uebergabe erledigt waren, wurden die sechs Deserteure (ich gehörte zu der Wache, die sie mit aufgepflanztem Bajonett eskortierte) schleunigst ins prison geführt.
Die Schlüssel klirrten. Der Sergeant der Wache hielt es für nötig, seinem Hohn Luft zu machen in einigen überflüssigen Bemerkungen über »das dreckige, zerlumpte, niederträchtige Pumpistenpack, dem im Strafbataillon das Durchbrennen schon versalzen werden würde«, und gab Rader, der als letzter über die Schwelle der Gefängnistüre trat, einen gewaltigen Stoß. Er fiel der Länge nach hin. Dann wurde die schwere Bohlentüre hinter ihnen zugeworfen ...
Vor einigen Jahren noch wäre an Herrn von Rader und seinen fünf Mitpumpisten mit einer ganz besonderen Art von Strafen operiert worden, die damals in der Fremdenlegion gerade für Deserteure als radikales Abschreckungsmittel betrachtet wurde – eine mittelalterliche Tortur, die übrigens keine Spezialität für Deserteure allein darstellte, sondern recht häufig in Anwendung kam. Es waren das silo und die crapaudine .
Das Silo bestand aus einem trichterförmigen Loch im Boden, vier Meter ungefähr tief, oben am Rande breit, nach unten spitz verlaufend. Ein richtiger Trichter. In dieses Loch, das als »Einzelzelle« galt, wurde der Uebeltäter hineingeworfen, in einen dünnen Drillichanzug gekleidet, ohne Decke, ohne jeden Schutz vor Regen und Sonne, vor der Hitze des Tages und der Kälte der Nacht. Viele Tage lang ließ man die armen Teufel in solch' einem Gefängnis. Liegen konnten sie niemals, denn das untere Ende des Loches maß nur einen oder zwei Fuß im Quadrat. Stehend, zusammengekauert, verbrachten sie Tage und Nächte. Der Unrat häufte sich an, der Regen goß herab, die Sonne brannte in das Loch. Die Gefangenen wurden krank in den üblen Dünsten. Wenn sie endlich aus dem Silo herausgeholt wurden, konnten sie weder stehen noch gehen. Sie mußten ins Hospital getragen werden. Dann und wann ist auch ein Silogefangener unten in seinem Loch gestorben.
Man erzählt in der Fremdenlegion, daß General de Négrier es war, der diese fürchterliche Strafe abschaffte. Bei einer Inspektion in Saïda fand er, in langer Reihe nebeneinander, fünfzehn Silos, alle mit Gefangenen besetzt. Er befahl, sie herauszuholen, und sie
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