In der Fremdenlegion (German Edition)
minimales Quantum reduziert. Die Brotration besteht aus der Hälfte dessen, was in der Kompagnie geliefert wird. Die Sträflinge der Einzelzellen sind auf Hungerkost gesetzt. Ihre Suppe ist heißes Wasser, mit Kartoffelstückchen und Brotrinden, und auch diese Suppe wird ihnen nur jeden zweiten Tag gegeben. In der Zwischenzeit ist ihre Nahrung der vierte Teil der Legionsration an Brot; sie sind eingesperrt bei Wasser und Brot, aber – bei zu wenig Brot. Wie erschrecklich diese Menschen in wenigen Tagen abmagern, muß man gesehen haben, um das Barbarische einer Strafe würdigen zu können, die sich aus drei Begriffen zusammensetzt: Unterernährung, Ueberarbeitung, üble sanitäre Verhältnisse.
Nach der Mittagsstunde setzten Arbeit und Arbeitsmarsch wieder ein. Die Drillichkleider wurden schmutzig. Sie trugen die Spuren der Nächte auf dem ekelhaft unsauberen Zellenboden. Die Arbeit des Entleerens der Blechkübel ging auch nicht ohne Verunreinigung der Kleider ab. Aber die Drillichanzüge wurden erst dann gewechselt, wenn einmal eine Inspektion durch den Regimentskommandeur bevorstand, und frische Wäsche war ein Luxus, den es im prison nicht gab.
Die Sergeanten der Kasernenwache faßten es oft als einen wichtigen Teil ihrer Amtspflichten auf, die Gefangenen möglichst schlecht zu behandeln. Schimpfworte regnete es. Viele machten sich das Spezialvergnügen, alle drei Stunden in der Nacht die Gefängnisse zu inspizieren. Sämtliche Gefangene mußten auf den Kasernenhof hinaus, und der Wachkommandierende verlas bei Laternenschein mit gesuchter Langsamkeit die Namen, die Kompagnien, die Nummern und die Strafdauer der prisonniers, die in ihren dünnen Anzügen eine halbe Stunde lang regungslos in der kalten Nachtluft stehen mußten. Dreimal, viermal in einer Nacht wurden sie herausgeholt! So hatte sich der Herr Kommandant der Kasernenwache nicht nur die langweiligen Stunden seiner Nacht auf Wache angenehm vertrieben, sondern konnte auch in dem erhebenden Gefühl ruhen, sein Scherflein zur Disziplin des Regiments beigetragen zu haben. Unter Disziplin versteht ja die Fremdenlegion eine Art Variation mittelalterlicher Abschreckungstheorie.
Wohlverstanden: die Gefängnisse in der Legionskaserne von Sidi-bel-Abbès sind eine Disziplinaranstalt, in der nur geringfügige Vergehen gesühnt werden!
Kleine Sünden gegen Ordnung und Disziplin sind es, die der Legionär in diesen Löchern büßt!!
Ich war auf Wache in dem engen Zellengang des einen Gefängnisses und schritt, Gewehr mit aufgepflanztem Bajonett im Arm, fröstelnd auf den Steinfliesen auf und ab. Von zehn Uhr abends bis Mitternacht. Vor acht Stunden etwa waren unsere Pumpisten eingeliefert worden, Rader und die übrigen. Durch die schmale Oeffnung zwischen der Außenmauer und dem Gefängnishäuschen schimmerte ein Stückchen Sternenhimmel, und durch den schmalen Gang strich der kalte Nachtwind. Aber er konnte die verpestete Luft nicht vertreiben, die schwer und dumpf um das Gefängnis lagerte und immer wieder neue Zufuhr bekam aus den kleinen Luftlöchern der Massenzellen und den winzig kleinen Oeffnungen in den cellules , den dunklen Löchern des Einzelarrests. Der fast unerträgliche Geruch legte sich beklemmend auf die Nerven und machte schon das Postenstehen im prison zu einem mehr als unangenehmen Dienst.
Außer Raber und seinen Mitdeserteuren waren in der Massenzelle noch vierzig Mann. Als um zehn Uhr abends der Wachhabende die Gefängnisse inspizierte und die prisons geöffnet wurden, sah ich, wie sie auf der hölzernen Pritsche zusammengedrängt lagen, eng nebeneinander, Mann an Mann, so wie Sardinen in eine Büchse gepackt werden. Aber trotzdem hatten kaum zwanzig von den vierzig Gefangenen auf der hölzernen Lagerstätte Platz gefunden. Die andern hockten in den Ecken herum, mit weit aufgezogenen Knien und gesenkten Köpfen schlafend: viele lagen auf dem nackten Fußboden, so fürchterlich unsauber er auch war. Alle froren erbärmlich in den dünnen Drillichanzügen. Die Gefängnisdecken, die sie geliefert bekamen, waren Karikaturen von Decken, altersschwache Tuchfetzen, durch deren dünnes Gewebe man durchgucken konnte wie durch einen Schleier; so klein, daß der Gefangene die Wahl hatte, ob er sich die Füße zudecken wollte oder den Leib. Für Beides waren die famosen Decken nicht groß genug. Sie starrten von Schmutz und häufig von Ungeziefer. Tagsüber wurden sie einfach alle auf einen Haufen in einen Winkel der Zelle geworfen.
Es war kein
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