In der Fremdenlegion (German Edition)
alltäglich erzählt – schlechte Witze über junge, bartlose Legionäre hörte man auf Schritt und Tritt, und Klatschereien über sonderbare Freundschaften waren an der Tagesordnung. Selbst der Unbefangenste konnte nicht lange im Regiment sein, ohne aufmerksam zu werden und sich über den merkwürdigen Ton im Verkehr zwischen alten und jungen Legionären Gedanken zu machen. Das Legionslaster gehörte zum Regiment, es war tief eingewurzelt in der modernen Landsknechtsschar. Seit vielen Jahren schon – heute noch.
Denn: so oft auch das Menschenmaterial der Legion wechselt, so viel neue Rekruten ihr alljährlich zuströmen: der Lasterherd bleibt. Er besteht aus einem Teil der alten, langgedienten Legionäre, einem bald größeren, bald kleineren Prozentsatz aus ihren Reihen, denen in langen Jahren ihre Art von Freundschaft zu etwas Selbstverständlichem geworden ist. Unter den Neuankommenden werben sie neue Anhänger, die in langsamem Werdegang zu ihrem Niveau sinken.
Der Beginn einer derartigen Freundschaft ist leicht zu verstehen. Ganz junge Menschen, häufig unter zwanzig Jahren, kommen in die Legion, werden ins Fremdenregiment verschlagen, weil es ihnen schlecht ging irgendwo in der Welt, weil sie leichtsinnige Streiche oder Schlimmeres verübt hatten. Im besten Fall sind es immer Leichtsinnige, deren moralischer Halt nicht besonders fest ist. Als Rekruten fühlen sie sich unendlich hilflos und unsäglich verlassen. Sie haben so viel zu lernen, daß sie gar nicht wissen, wo sie anfangen sollen; sie sind so ungeschickt und unerfahren, daß sie mit ihren kleinen Putz- und Reinigungsarbeiten niemals zur rechten Zeit fertig werden und in ewiger Hetze und Angst vor Strafe leben. Da ist der alte Legionär ein Freund in der Not. Seine geschickten Finger helfen ihnen. Er lehrt sie Hunderte von kleinen Tricks, die den mühevollen inneren Dienst erleichtern. Sie kommen gar nicht aus der Verwunderung darüber hinaus, wie schnell er den komplizierten Inhalt des feldmäßigen Tornisters packen kann, wie rasch er eine schmutzige Drillichhose zu glänzend weiß schimmernder Sauberkeit bringt – wie klug er ist, wie erfahren, wie wertvoll seine Hilfe. Sie bewundern ihn. Sie sind ihm dankbar. Das natürliche Anschmiegungsbedürfnis ihrer Jugend kommt hinzu. Der »Alte« ist ein guter Freund, der sie durch die Fährlichkeiten der Rekrutenzeit hindurchsteuert. Und so schlau ist er; immer weiß er auf den merkwürdigsten Wegen ein paar Kupferstücke aufzutreiben für eine Flasche Wein, und immer teilt er mit ihnen, der gute Kamerad. Die Freundschaft wächst, er wird unentbehrlich. Die jungen Soldaten haben das sehr natürliche Gefühl, als würde das Legionsleben ohne ihn unerträglich sein, als könnten sie gar nicht bestehen ohne seine Führung. Häufig schwärmen sie für ihn (man vergesse nicht, daß es ganz junge Menschen sind) – wie kleine Mädchen ihre Lehrerin anschwärmen. Dann kommen eines Tages, fast von selbst, Gespräche über aufreizende Dinge und ein Hindrängen zum ersten Schritt über die Grenze. In vielen Fällen sträubt sich die gesunde Natur in den jungen Menschen, und sie geben ihrem merkwürdigen Freund den Laufpaß. In anderen Fällen sinken sie langsam von Stufe zu Stufe: demoralisiert – verroht – verloren.
Selbst dann noch besteht ein Unterschied zwischen girons und girons . Man kann es als versöhnendes Moment betrachten, wenn, wie es häufig vorkommt, der junge Legionär und der alte Legionär in den schweren Zeiten ihrer Dienstjahre noch zusammenhalten und sich in allen Lagen gegenseitig helfen. Sie sind unzertrennlich und in jeder Minute ihrer freien Zeit beisammen. Wenn durch Abkommandierungen oder durch Strafen der eine von dem andern fortgeschickt werden soll, schrecken sie vor nichts zurück, um vereinigt zu bleiben. Ich habe das an einem interessanten Beispiel mit erlebt. Ein giron , der sich eine Insubordination hatte zuschulden kommen lassen, wurde mit Versetzung in das gefürchtete Bataillon der Disziplinäre bestraft. Wenige Wochen vergingen, da beging auch der alte Legionär, der sein Freund war, einen schweren Verstoß gegen die Disziplin und erlitt die gleiche Strafe. Das war, was er gewollt hatte. Er hatte sein Vergehen und die wahrscheinliche Strafe sehr genau berechnet – er ging freiwillig den Schrecken des Strafbataillons entgegen, nur um nicht von seinem Freund getrennt zu sein.
Allzuoft aber wird aus dem Verführten ein völlig verrohter, brutal gewinnsüchtiger Mensch,
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