In der Fremdenlegion (German Edition)
Wunder, daß die Neueingesperrten in diesem Loch nicht schlafen konnten. Einmal rief der arme Rader leise, wer denn auf Posten stehe. Er mußte auf die Schulter eines Kameraden geklettert sein, um das Luftloch hoch droben an der Zellenwand erreichen zu können. Als ich antwortete, sagte er, es sei nicht zum Aushalten da drinnen – ob ich nicht eine Zigarette hätte. Ich spießte ein Päckchen Zigaretten auf mein Bajonett und reichte es ihm hinauf. »Kopf hoch halten!« flüsterte ich ihm zu.
»Mein Gott, mein Gott ...« war die Antwort, in einem wehen Ton, der gar nichts mehr vom Humor des Herrn von Rader in sich hatte.
Aus der Zelle drang fortwährend Schimpfen und Stöhnen und Gemurmel, leise, ganz leise, denn die Gefangenen wußten, daß sie alle bestraft würden, wenn es lärmend zuginge. Deshalb ist es Sitte, daß der Posten im Gefängnisgang mit dem Gewehrkolben kräftig aufstößt, wenn er den Wachhabenden kommen hört. Es ist das Warnungszeichen! Sprachen sie aber dann und wann in ihrer Aufregung lauter, so konnt' ich die Worte durch das Luftloch hindurch verstehen. In elegantem Französisch, dessen Wendungen allein schon gute Erziehung verrieten, klagte einer der Gefangenen über Leben und Treiben in der Legion, und es wurde mäuschenstill in der Zelle, wenn die klingende Stimme in leidenschaftlicher Erregung sprach. Bruchstücke sind mir in Erinnerung geblieben:
»Mein Gott, wenn ich nur sterben könnte! – – Freunde, ich habe meine Pflicht getan – vier Jahre lang bin ich marschiert, marschiert, immer marschiert – vier Jahre lang habe ich Lasten getragen, die Sonne hat mich gedörrt, meine Knochen sind müde geworden –. Vier Jahre lang! Nun ja, man hat seine Kravatte verloren, oh la la, einen dünnen blauen Fetzen, einige Centimes wert: Marsch, ins Gefängnis! Gestohlen hat man die Kravatte, verkauft hat man sie – Ah, was ist das Wort eines Legionärs! Mea culpa , meine Freunde!«
»Mea maxima culpa!« wiederholte ruhig der Erzähler. »Man ist nicht viel wert gewesen, hat aus seinem Leben ein häßliches, monströses Ding gemacht – ihr, ich, alle von uns! Nun, warum nicht? Es ist einmal so. Dennoch – ich schäme mich des Landes, in dem dieses Gefängnis möglich ist, in dem die Fremdenlegion existieren kann. Ich bin Franzose. Aber: Verdammt sei die Legion, verflucht das Land der Legion – –«
»Verflucht sei es!« rief eine Baßstimme dazwischen.
Und über allem die luftverpestende Ausdünstung der in den winzig kleinen Räumen zusammengepferchten Menschen.
Als ich um Mitternacht abgelöst wurde, fragte mich der Wachhabende: »Nichts Besonderes?«
»Nichts Besonderes!« antwortete ich.
Vom typischen Laster.
Das Legionslächeln. – Der Lasterherd. – Die Taktik der alten Legionäre. – Demoralisiert, verroht, verloren! – Die Quelle aller Übel: fünf Centimes tägliche Löhnung! – Wie Le Joli verdarb. – Indo-Chinesisches. – Eine bunte Versammlung menschlicher Sünden. – Vom algerischen Rotwein. – Schum-Schum. – Opfer des Weins. – Ein hartes Leben regierte.
Es wunderte mich, daß weder Spielkarten noch Würfelbecher auch nur die geringste Rolle im Fremdenlegionsleben spielten, im scharfen Gegensatz zum englischen Tommy und besonders zum amerikanischen Söldner, der eine ganz unverbesserliche Spielratte ist. In einem kleinen Militärposten in Texas erlebte ich einmal, wie sämtliche Cowboys der Umgebung von den gerissenen alten regulars im Pokern total ausgeplündert wurden! (Ich war einer der Leidtragenden.) Aber das ist eine andere Geschichte ... Die Legion jedenfalls war vom Spiellaster völlig frei. So sehr verwunderlich war das schließlich nicht: fünf Centimes Löhnung! Die Möglichkeit, fünf Centimes zu gewinnen oder fünf Centimes zu verlieren, mochte rollender Würfel nicht wert sein.
Dafür wurden alle übrigen Laster aller Nationen liebevoll gepflegt. Das ist nicht zu viel gesagt – ich habe zugesehen. Ein Laster aber löste sich aus der Unmenge von Sünden scharf heraustretend los. »Legionslaster« will ich es nennen, weil es wohl hier und dort sich findet, aber unter weißen Männern nirgends in der Welt eine Keimstätte hat wie im Regiment der Fremden. Sein Schatten lag über der Legionskaserne. Man hätte blind sein müssen, um die sonderbaren Gesten, das anzügliche Lächeln, das Legionslächeln, nicht zu sehen; man hätte taub sein müssen, um nicht Dinge zu hören, die nicht mißzuverstehen waren.
Häßliche Histörchen wurden
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