In der Gewalt der Banditen
und senkten sich praktisch im gleichen Takt mit seiner Brust.
„Weg hier…“, keuchte er.
„Ich kann sie nicht wegbringen. Sie haben viel zu viel Blut verloren. Sie würden es nicht mal lebend bis ins Freie schaffen.“
Da bekamen seine Blicke etwas Flehentliches.
Seine flatternde Hand hob sich zu mir auf und ich ergriff sie, indem ich mich mit aufbauschenden Röcken neben ihn kniete.
Als habe ihn das schon alle Kraft gekostet, schloss er für einen Moment die A u gen.
Ich hatte im Institut zu viele Sterbende gesehen. Ich kannte die Zeichen. Und es machte keinen Sinn, wenn ich mich verriet, indem ich versuchte, ihm zu he l fen. Für den Moment konnte ich nichts tun, als hier kauern und bei diesem Banditen sein, der mit Sicherheit seinen Opfern gegenüber weniger Menschlic h keit gezeigt hatte.
„Sie sollten Ihren Frieden mit dem Herrn machen … Beten Sie um seine Gnade und Vergebung, Sir.“
Wie schmal und knochig sich seine Hand in der meinen anfühlte. Dabei kalt und glatt wie Papier.
Keuchend rang sich sein Atem die Kehle hinauf. So gut er konnte, zog er sich an meinem Arm hoch, dabei die Augen hinter flackernden Lidern rollend.
„Nehmen Sie es als Zeichen seines guten Willens, dass er sie hier in seinem Haus ihr Ende finden lässt“, redete ich ihm zu, denn ich dachte mir, dass ihn mit Sicherheit die Furcht vor dem Zorn Gottes dazu brachte, so heftig zu käm p fen.
Seine Zunge wanderte über seine trockenen Lippen. Sein Anblick quälte mich so sehr und ich hatte doch nichts, mit dem ich ihm auch nur ein kleines bisschen Erleichterung hätte verschaffen können.
Und so – in meiner Verzweiflung – beugte ich mich über seine geöffneten Li p pen und bestrich sie mit meiner eigenen Zunge.
Als die seine mich berührte, erschrak ich, denn ich wusste nicht, ob er nur die Nässe spüren wollte, oder ob er einen unbeabsichtigten Kuss erwiderte.
So schnell ich konnte, richtete ich mich wieder auf.
Er schloss seine Lider, als genieße er den Nachhall der Berührung. Was tat ich hier?
Wenn ich so gefunden wurde von Henrys Männern, war ich für immer verloren. Er würde mich zurückschicken in Schimpf und Schande und ich würde zur Skl a vin Delacros.
Es drehte mir den Magen um und um, doch wenn ich abwägte zwischen einem sterbenden Banditen und dem Schicksal, das mir drohte, konnte es keinen Zweifel geben, was ich zu tun hatte.
Warum aber saß ich dann noch immer hier bei ihm?
Er ist ein Räuber!, schrie eine Stimme in mir. Läge er hier nicht auf Leben und Tod – er hätte dir eine Kugel in den Kopf geschossen und dann deinen Schmuck geraubt. Lauf weg, solange du noch kannst!
Wie lange war ich schon hier, überlegte ich. Die Zeit war mir durch die Hände geronnen. Möglicherweise hatte Henry schon Leute ausgeschickt, mich zu s u chen.
Und dann packte es mich. Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, oder auf jene warnende Stimme zu hören, riss ich sein Hemd auf und betrachtete die Wunde.
In diesem Moment war ich dankbar für die vielen Gelegenheiten, die ich im I n stitut gehabt hatte, etwas über Wunden und Krankheiten zu lernen.
Es war tatsächlich eine Schusswunde. Rund und sauber.
Gerade als ich sie ein wenig auseinanderziehen wollte, um zu sehen, ob noch eine Kugel in seiner Seite steckte, hörte ich Schritte, brechende Zweige.
Mein Herz setzte einen S chlag lang aus.
„Es tut mir Leid“, wisperte ich, erhob mich unsicher auf meinen zitternden Be i nen, raffte meine Röcke und eilte in den Raum, der ehemals die Sakristei gew e sen war.
Die schwere Kirchentür wurde aufgezogen und Schritte kamen tappend herein. Die Männer meines Gatten?
Dann waren wir beide verloren. Mein Herz hämmerte in meiner Brust und das Blut rauschte derart in meinen Ohren, dass ich kaum noch hören konnte.
Die Angst brachte mich beinahe um den Verstand.
Das Institut, Delacro, Schmerzen und Erniedrigung traten vor mein inneres A u ge. Wie eine Besessene begann ich zu beten.
Gott konnte mich doch nicht hierher geführt haben, um mich auf immer zu ve r dammen …
Ich presste meine Stirn gegen die Tür, sicher, sie werde jeden Moment aufg e rissen, ich würde gepackt und in Schande nach draußen gezerrt. Zu dem ste r benden Verbrecher, dessen Dasein keinen Pfifferling mehr wert wäre.
In meiner Angst begann ich, Gott alles zu versprechen, wenn er mich nur erre t ten würde.
„Er muss doch hier sein …“, hörte ich eine tiefe Männerstimme. Das waren nicht Henrys Männer. Das waren die
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