In der Gewalt des Jadedrachen
mitzumachen. Dann haben Sie hier sehr schnell einen Bandenkrieg, Mr. Wong.“
Der Chef der Anti-Triad Squad war sogar der Überzeugung, dass dieser Krieg schon im Gange war. Er hatte von ihm erfahren, dass von Zeit zu Zeit Leichen gefunden wurden. Teils bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt und nur durch DNS Proben zu identifizieren, teils hatte man sie noch erkennen können. Was Forrester zu denken gegeben hatte, war die Tatsache, dass es sich bei den Toten fast ausnahmslos um ehemalige Agenten gehandelt hatte.
„Typische koloniale Schwächen. Ein Rest des Imperiums. Aber das wird sich jetzt alles ändern.“
„Vielleicht.“ Forrester fand, er hatte Wong genug gesagt, um ihm etwas zu denken und zu kauen zu geben. Geschickt nahm er einen Leckerbissen mit den Stäbchen auf und schob ihn in den Mund. Er hatte den ganzen Tag kaum etwas gegessen und hatte Hunger.
„Und welche Rolle spielt die Frau, die bei Ihnen zu Gast ist?“
Forrester würgte an dem Bissen und wandte sich um. Der Weißhaarige, den Perkins Robert Graacht genannt hatte, und der Chinese Chen standen hinter ihm.
Der Chinese heftete seinen durchdringenden Blick auf ihn. Forrester hielt ihm stand, dann lächelte er höflich und sah zu Graacht.
„Woher wissen Sie davon?“, fragte er.
Graacht verzog den Mund, was wohl ein Lächeln sein sollte. Aus der Nähe sah man noch viel besser, wie unbeweglich seine Mimik war. Als trüge er eine Maske. „Diese Dame ist schon Stadtgespräch. Hongkong ist vielleicht eine Weltstadt, aber in gewissen Kreisen kennt jeder jeden. Außerdem gehe ich mit dem Botschafter regelmäßig zu den Pferderennen. Ein gemeinsames Freitzeitvergnügen sozusagen. Und bei dieser Gelegenheit hat er mir erzählt, dass die Dame sehr charmant sein soll. Schade, dass sie uns heute nicht mit ihrer Anwesenheit beehrt, wir hätten uns alle gefreut, sie kennenzulernen.“
„Sie wird derzeit festgehalten und verhört. Wir vermuten, dass sie Beziehungen zu einem der Syndikatsmitglieder unterhält oder unterhalten hat, die für einen Anschlag in New York verantwortlich sind. Aber sie wird in der nächsten Zeit nach Amerika zurückfliegen.“ Der Botschafter hatte sich zu der Gruppe gesellt.
Nicht schlecht, dachte Forrester. Eine gewisse Neugier war also schon vorhanden. Es wurde über Lana McKenzie gesprochen, und der Botschafter hatte jetzt unabsichtlich noch eins draufgelegt. Auf diese Weise sollte die Information, dass Pratts Braut in seiner Gewalt war, schnell die Runde machen, die richtigen Leute anziehen und zu Unvorsichtigkeiten verleiten.
Andererseits hieß das für ihn aber auch wiederum höchste Alarmbereitschaft und zusätzliche Gefahr für Lana.
„Diesen Wein sollten Sie probieren, Mr. Graacht“, sprach der Bortschafter weiter. „Kalifornisch. Ich ziehe sonst den französischen Wein vor, aber dieser hier ist vorzüglich.“
Forrester spürte wieder Chens Blick auf sich ruhen. Er sah kurz hin, wandte sich dann aber wieder ab. Der alte Mann gab ihm das Gefühl, bis auf den Grund seiner Seele durchschaut zu sein. Eine unangenehme Art, die ihn sehr stark an jemand anderen erinnerte. Allerdings war dieser andere eine Frau.
„Ich ziehe Reiswein zwar vor“, sagte Chen, „aber ich werde diesen hier gerne kosten.“ Er nahm das Glas ebenfalls entgegen und hob es wie grüßend Richtung Forrester. „GanBei.“
Graacht verzog leicht den Mund. „Man trinkt einen Wein nicht ex, Mr. Chen.“
Chen überhörte dies und sah nur Forrester an.
„GanBei.“ Forrester stürzte den Wein hinunter, wobei er Chens Blick, der ihn über den Rand des dünnen Glases hindurch traf, dieses Mal standhielt.
***
„Bemerkenswert“, sagte Joe beiläufig, als er seinen Boss am nächsten Tag in dessen Büro aufsuchte, um ihm die letzten Ergebnisse der Suche nach Charles Pratt vorzulegen. Im Grunde hätte das Resultat auf ein Stück Zigarettenpapier gepasst. Es war nämlich so gut wie null. Sie hatten mehrere Spuren verfolgt, aber alle waren im Sand – oder richtiger ausgedrückt – im Asphalt von Hongkongs Straßen verlaufen. Interessanter waren da schon die Informationen, die sie von ihren amerikanischen Kollegen bekommen hatten. Charles Pratt war tatsächlich kein unbeschriebenes Blatt mehr.
Forrester blätterte in der Unterlage. „Ich wusste ja, dass wir etwas über ihn finden. Unvorstellbar, wie er sich überhaupt noch merkt, unter welchem Namen er auftritt. Hier habe ich alleine elf in den letzten fünf Jahren. Allerdings hat er sich
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